ILES
Projektsteckbrief
Laufzeit
Seit Einführung der Glühlampe im späten 19. Jahrhundert hat die Verbreitung künstlicher Beleuchtung weltweit dramatisch zugenommen. In den letzten Jahrzehnten stieg die Lichtemission im globalen Mittel mit einer Rate von drei bis sechs Prozent pro Jahr, vereinzelt sogar mit bis zu 20 Prozent – schneller als etwa die globale Wirtschaft, die Weltbevölkerung oder die Emission des klimawirksamen Treibhausgases Kohlendioxid. Dieser „Verlust der Nacht“ betrifft große Teile Europas und alle weiteren hochindustrialisierten Regionen der Welt. Die Intensität von Skyglow ist im Vergleich zu direktem Licht zwar gering, erstreckt sich aber anders als punktuelle Lichtquellen wie z.B. Straßenlaternen über sehr große Flächen. An vielen Orten der Welt strahlt dadurch der Nachthimmel hunderte Male heller als vor Einführung des künstlichen Lichts. Die möglichen Folgen des Verlusts der Nacht für Ökosysteme und die Biodiversität könnten beträchtlich sein. In vielen Seeökosystemen trifft Skyglow auf die Braunfärbung des Wassers durch Huminstoffe, welche zu einer Verdunkelung aquatischer Systeme führt. Die Hauptursache dafür dürfte die verstärkte Auswaschung löslicher Stoffe aus den Böden im Einzugsgebiet von Gewässern sein. Sie entsteht z.B. durch Versauerung, aber auch durch verstärkte Niederschlagsereignisse, die vielerorts als Folge der Erderwärmung zu erwarten sind. Natürliches Licht ist in Seen ein essenzieller Steuerfaktor für tägliche, aber auch für dem Mondzyklus folgende und andere Rhythmen. In tiefen Seen gehören dazu die tagesperiodischen Wanderungen von Zooplankton (u.a. Wasserflöhe) und Fischen. Unter natürlichen Bedingungen halten sich beispielsweise Wasserflöhe tagsüber in tieferen Wasserschichten auf. In der Nacht wandern sie Richtung Wasseroberfläche, um Algen zu fressen. Aktuelle Forschungsarbeiten zeigen, dass Skyglow die Ausprägung dieser täglichen Wanderung dramatisch reduzieren kann. Verdunkelung durch Braunfärbung von Seewasser könnte den gegenteiligen Effekt haben. Völlig offen ist jedoch die Frage, wie groß die Wirkung solcher Verhaltensänderungen der Wasserflöhe auf die Wechselwirkung von Organismen im planktischen Nahrungsnetz und auf die Produktivität von Gewässern ist. Im Projekt „Seeökosysteme erleuchten“ wollen wir mehr darüber herausfinden. Wir werden Skyglow und Braunfärbung des Seewassers kontrolliert verändern, um die Reaktion des Ökosystems See in nahezu seiner gesamten Komplexität zu erfassen. Wir erwarten, dass die neuen Lichtverhältnisse die Physiologie und das Verhalten von Schlüsselarten beeinflussen. Dadurch dürften sich die Wechselwirkungen zwischen den Arten verschieben, sodass Nahrungsnetz und Stoffflüsse im See sich tiefgreifend verändern. Unsere Ergebnisse versprechen grundlegend neue Erkenntnisse über Seeökosysteme, die gleichzeitig für das Gewässermanagement bedeutsam sind.
Leibniz Gemeinschaft über den Leibniz-Wettbewerb 2015