«Wenn man seine Ernährungsweise wie die Mixotrophen an die jeweiligen Umweltbedingungen anpassen kann, hat man gegenüber anderen Organismen möglicherweise große Vorteile», sagt Ulrike Berninger. Als aquatische Ökologin hat sie mixotrophes Plankton schon in vielen Seen und Meeresgebieten im In- und Ausland und in unzähligen Laborexperimenten untersucht. Noch nie aber ist es in einem großmaßstäblichen Freilandexperiment innerhalb des natürlichen Nahrungsnetzes erforscht worden. Diese besondere Gelegenheit ergibt sich jetzt am Stechlinsee. Zusammen mit ihrer Bachelorstudentin, Elisabeth Schlager, beobachtet sie beim diesjährigen Seelaborversuch, wie die Planktonorganismen auf das in den Versuchszylindern veränderte Lichtregime reagieren und ob sich der Anteil, die Artenvielfalt und die Bedeutung der Mixotrophen verändern.
Mixotrophe können ihren Kohlen- und Energiestoffbedarf auf zwei verschiedene Arten decken. Entweder betreiben sie wie das Phytoplankton Photosynthese und bauen die zum Leben notwendigen Biomoleküle mithilfe von Lichtenergie ausschließlich aus anorganischen Stoffen auf – eine Lebensweise, die auch als photoautotroph bezeichnet wird. Oder sie ernähren sich heterotroph, indem sie wie das Zooplankton organische Partikel per Phagozytose aufnehmen und die darin vorhandenen Biomoleküle verwerten. Unklar ist bisher, ob Mixotrophe ihre unterschiedlichen Ernährungsstrategien nur zum Kohlenstoffgewinn nutzen, oder ob es dabei ebenfalls um andere Nährstoffe und/oder Spurenelemente geht.
Auch Elisabeth Schlager faszinieren diese besonderen Organismen, und als ihr Ulrike Berninger im Frühjahr dieses Jahres vom Projekt am Seelabor erzählte, war sie gleich begeistert. Erst vor zwei Jahren hatte sich die studierte Maschinenbauerin entschieden, ihren Kindheitstraum doch noch wahr zu machen und Biologie zu studieren. «Wenn man mit Mitte 30 nochmals an die Uni geht, läuft vieles anderes», sagt Elisabeth Schlager, «man ist viel zielstrebiger, weiß schneller, in welche Richtung es gehen soll.» Bei ihr ist es die Ökologie und da kam ihr das Angebot, die Mixotrophen beim diesjährigen Seelaborversuch im Rahmen ihrer Bachelorarbeit zu untersuchen, gerade recht. Für die Konzeption der Untersuchung hatte sie im Frühsommer in Ulrike Berningers Labor an der Universität Salzburg Vorarbeiten durchgeführt. Nun bleibt sie während des gesamten Experiments am IGB Stechlin, um Fraßexperimente durchzuführen und die Proben aufzuarbeiten. «Bei solch einem umfangreichen Freilandexperiment im Rahmen einer Bachelorarbeit mitzuwirken, ist schon eine große Chance», schwärmt Elisabeth Schlager.
«Konkret beobachten wir das sogenannte Nanoplankton. Das sind Organismen mit einer Größe zwischen 2 und 20 Mikrometer. Wir bieten ihnen in einem Fraßversuch fluoreszierende Kunststoffpartikel in Bakteriengröße als Futter an», erklärt Ulrike Berninger. Nach einer mehrstündigen Inkubation in den unterschiedlich manipulierten Versuchszylindern des Seelabors werden die Planktonorganismen abgetötet, auf Filtermembranen gebracht und schließlich unter dem Epifluoreszenzmikroskop ausgezählt. Bei Bestrahlung mit einem grünen Filter erkennt man das autotrophe Plankton an seiner roten Autofluoreszenz und das heterotrophe Plankton an den aufgenommenen, gelblich strahlenden Plastikpartikeln. Als Mixotrophe kann man dann solche Organismen identifizieren, die sowohl die rote Autofluoreszenz als auch die Fluoreszenz der aufgenommenen Partikel zeigen. Unter dem Mikroskop kann so ermittelt werden, wie hoch der Anteil der Mixotrophen in der Planktongemeinschaft ist. Zurück in Salzburg wird sich Elisabeth Schlager im Herbst ganz dem Auszählen der genommenen Proben widmen. Dann wird man sehen, inwieweit sich die Anteile an Mixotrophen im Seewasser durch die unterschiedlichen Versuchsbedingungen verglichen mit den Kontrollen verändert haben.
Der Aufenthalt von Ulrike Berninger am Stechlinsee wird durch das EU-Projekt AQUACOSM (Teilprojekt MixoSky) finanziert. Elisabeth Schlager wird durch ein Stipendium des Stiftungs- und Fördervereins der Paris-Lodron-Universität Salzburg sowie durch das IGB Stechlin finanziell unterstützt.