Die IGB-Wissenschaftler*innen sprechen sich deshalb dafür aus, im geplanten Gesetz die
Möglichkeiten des Vorsorgeprinzips so umfassend wie möglich auszuschöpfen und die Verwendung von Klarwasser (d.h. gereinigtes Abwasser) nur dann in der Landwirtschaft zuzulassen, wenn es aus
Abwasserreinigungsanlagen stammt, die mindestens eine weitergehende Abwasserbehandlungsstufe
zur effektiven Entfernung von Spurenstoffen implementiert haben und deren Wirksamkeit jederzeit sichergestellt und nachweisbar ist. Dabei müssen auch potenziell entstehende Abbauprodukte berücksichtigt werden, die ebenfalls eine Schadwirkung entfalten können. Diese weitergehende Abwasserbehandlung sollte mindestens dem jeweiligen aktuellen Stand der Technik entsprechen. Zudem sollten von behördlicher Seite klare Zielvorgaben für den Wirkungsgrad oder Grenzwerte für bestimmte Wasserinhaltsstoffe im Klarwasser festgelegt und engmaschig kontrolliert werden.
Qualität des kommunalen Klarwassers in Deutschland
Die Forschenden begründen ihre Empfehlung damit, dass die meisten kommunalen Kläranlagen die Vielzahl von synthetischen Stoffen, wie z.B. organische Spurenstoffe, deren Transformationsprodukte und Nanopartikel, nicht oder nicht ausreichend entfernen. Jüngste Fortschritte bei den Analysetechniken zeigen das häufige Vorkommen von bisher übersehenen, hoch mobilen organischen Verbindungen in der aquatischen Umwelt, von denen viele persistent und potenziell toxisch sind. Die Quellen solcher Substanzen sind vielfältig: Sie stammen beispielsweise aus Medikamenten, Wasch- und Körperpflegeprodukten, Pflanzen- und Flammschutzmitteln, Beschichtungen oder Imprägnierungen. Diese Substanzen sollten grundsätzlich nicht in die Ökosysteme gelangen – egal, ob aquatisch oder terrestrisch.
Die Abwasserbehandlung durch Sorptions- oder Oxidationsverfahren kann zwar einige dieser
Substanzen eliminieren, jedoch können dabei Transformationsprodukte entstehen, deren
Stoffeigenschaften und Wirkung auf Umwelt und Mensch noch weitgehend unbekannt sind. Über
das Klarwasser und die Vorfluter gelangen diese Stoffe in unsere Oberflächengewässer, insbesondere
in Flüsse. Binnengewässer und schließlich die Meere müssen damit aktuell als die größten
„Sammelbecken“ für potenziell gefährliche Reststoffe angesehen werden, was bereits heute und
grundsätzlich ein großes Problem ist. Würden diese Substanzen über das Klarwasser in der
landwirtschaftlichen Bewässerung nun zusätzlich großflächig verteilt, könnten neben den
terrestrischen Ökosystemen auch Grundwasserleiter und nahe Feuchtgebiete dauerhaft
kontaminiert und insbesondere die Grundwasserleiter langfristig geschädigt werden. Solche
großskaligen Schäden sind zu einem späteren Zeitpunkt dann kaum oder gar nicht mehr zu beheben.
Vorsorge, Verursacherprinzip, Monitoring und Forschung
Der Schlüssel zur Vermeidung neuer und zur Eindämmung bestehender Umweltverschmutzungen
und Ökosystembelastungen liegt laut der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Minimierung und/oder Beseitigung der Schadstoffemissionen bereits an der Quelle. Das Verursacherprinzip sollte in allen relevanten Bereichen konsequent umgesetzt werden. Da sich die Anzahl der potenziell gefährlichen Stoffe, für die eine EU-weite Überwachung notwendig wäre, durch dynamische Entwicklungen sehr schnell erhöhen kann, sollte die entsprechende Beobachtungsliste nicht auf eine Höchstzahl von Stoffen oder Stoffgruppen beschränkt werden.
Zudem sind vermehrt neue Ansätze notwendig, um die Wirkungen komplexer Gemische von Wasserinhaltsstoffen in aquatischen Systemen beurteilen zu können, z.B. durch In-Vitro-Bioassays oder Toxizitätstests. Weil dies keine Behördenstandards sind, sollte bei solchen
Bewässerungsvorhaben auch eine entsprechende Begleitforschung etabliert werden. Diese
Empfehlung formulieren die IGB-Forschenden explizit nicht aus Eigeninteresse an Drittmitteln, sondern diese Einschätzung resultiert aus dem zu erwartenden Risiko und den nach wie vor bestehenden
Wissenslücken bezüglich der Wirkungen.
Das vollständige IGB-Feedback kann unter diesem Text heruntergeladen werden.