Blitzlicht
Nadja Neumann

ERGA: Europas biologischer Vielfalt auf der Spur

Forschende aus 33 Ländern erstellen Referenzgenome von 98 Arten
Forschende aus ganz Europa, mit Beteiligung des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB), haben im Rahmen des Pilotprojekts European Reference Genome Atlas (ERGA) hochwertige Referenzgenome für 98 Arten erstellt. Diese Zusammenarbeit von rund 200 Wissenschaftler*innen aus 33 Ländern ist auch eine Blaupause, um kollaborativ eine weltweite Referenzgenomdatenbank für Tiere, Pflanzen und Pilze aufzubauen. Die Ergebnisse wurden in einem Artikel in der Fachzeitschrift npj Biodiversity vorgestellt.

Referenzgenome sind eine repräsentative Darstellung des Gen-Sets eines exemplarischen individuellen Organismus einer Spezies. | Foto: David Ausserhofer

Der European Reference Genome Atlas (ERGA) ist der europäische Knotenpunkt des globalen Earth BioGenome Project (EBP). EBP hat sich zum Ziel gesetzt, das gesamte eukaryotische Leben auf der Erde zu sequenzieren. Das Pilotprojekt von ERGA wurde Anfang 2021 von Dr. Camila Mazzoni vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung und dem Berlin Center for Genomics in Biodiversity Research (BeGenDiv) initiiert und hat seitdem in einer kollaborativen paneuropäischen Zusammenarbeit die Referenzgenome für 98 Arten hervorgebracht.

Referenzgenome werden von Forschenden als repräsentative Darstellung des Gen-Sets eines exemplarischen individuellen Organismus einer Spezies erstellt. Sie basieren auf der Sequenzierung der DNA einer Gruppe von Individuen und stellen somit ein haploides Mosaik aus verschiedenen DNA-Sequenzen dar. Dadurch werden die individuellen Unterschiede einer Art besser abgebildet als durch die Sequenz eines einzelnen Erbguts.

 „Referenzgenome bieten ein immenses Potenzial für verschiedene Bereiche der Biologie, von der Ökologie bis zur Evolution“, sagt IGB-Forscher Dr. Matthias Stöck, der an dem Projekt beteiligt war. „Sie sind nicht nur für die Grundlagenforschung relevant, sondern auch für den Schutz gefährdeter Arten, die menschliche Gesundheit, die Bioökonomie, die Biosicherheit und viele andere Anwendungen“, ergänzt sein Kollege, Dr. Heiner Kuhl, der ebenfalls Autor der Studie ist.

Blaupause für kollaborative Genomforschung ohne zentrale Finanzierungsquelle

Das ERGA-Pilotprojekt hat auch gezeigt, dass ein dezentralisiertes, kollaboratives und koordiniertes Genomprojekt effektiv sein kann, sogar auf kontinentaler Ebene und ohne eine zentrale Finanzierungsquelle. Die meisten Mittel wurden von einzelnen Mitgliedern und Partnerinstitutionen aufgebracht, die von Sequenzierungspartnern und kommerziellen Sequenzierungsfirmen unterstützt wurden. Ein besonderer Schwerpunkt des Projekts lag auf Chancengleichheit und Inklusion, um die Genomforschung und die dafür notwendigen Ressourcen für alle zugänglich zu machen. Das ERGA-Pilotprojekt ermöglichte vielen Wissenschaftler*innen und Ländern erstmals die aktive Teilnahme an der Erstellung von Referenzgenomen und die Nutzung modernster Ressourcen zur Erforschung ihrer heimischen biologischen Vielfalt.

Zu den Herausforderungen des Projekts gehörten rechtliche und logistische Hürden beim grenzüberschreitenden Transport biologischer Proben, die unterschiedliche Ressourcenausstattung der Länder und die Suche nach einem Gleichgewicht zwischen Dezentralisierung und Standardisierung. Der Erfolg des Pilotprojekts bei der Entwicklung einer Struktur und der Zusammenführung von Forschenden zeige die Stärke dieses Modells, so die Beteiligten in dem Artikel in der Fachzeitschrift. 

 

Den Artikel in npj Biodiversity lesen >

 

Ansprechpersonen

Matthias Stöck

Forschungsgruppenleiter*in
Forschungsgruppe
Genetik und Evolution von Fischen (und anderen Wirbeltieren)

Heiner Kuhl

Wissenschaftliche*r Mitarbeiter*in
Forschungsgruppe
Molekulare Fischphysiologie
Genetik und Evolution von Fischen (und anderen Wirbeltieren)