Einblick

Seelabor: Was die Wasserfarbe über die Gewässerqualität aussagt

Je grüner das Wasser, desto mehr Algen enthält es
Mithilfe von Mobilfunk-Apps wollen Igor Ogashawara und Lena Mellin von der Wasserfarbe auf die Gewässerqualität schließen. Im Interview erzählen sie, wie die Apps funktionieren und warum die Fernerkundung für ihre Forschung so nützlich ist.

Mithilfe von Mobilfunk-Apps wollen Igor Ogashawara und Lena Mellin von der Wasserfarbe auf die Gewässerqualität schließen. Im Interview erzählen sie, wie die Apps funktionieren und warum die Fernerkundung für ihre Forschung so nützlich ist. | Foto: Martina Bauchrowitz

Sie sind beide im CONNECT-Projekt engagiert, Igor Ogashawara als Postdoktorand und Lena Mellin im Rahmen ihrer Bachelor-Arbeit. Wie kam es, dass es Sie gerade an den Stechlinsee verschlagen hat?

Igor Ogashawara: Bei mir war es ein unwahrscheinlicher Zufall. Am Ende meiner Doktorarbeit an der Indiana University – Purdue University in Indianapolis habe ich mit zwei Kollegen ein Buch über Fernerkundung herausgegeben. Als ich eines Morgens in Google etwas nachschlagen wollte und als Stichworte den Titel unseres Buchs «Bio-optical Modeling and Remote Sensing of Inland Waters» eingab, poppte plötzlich eine Stellenausschreibung mit einem fast gleichen Titel auf. Sie war wie für mich gemacht, allerdings endete die Bewerbungsfrist genau an diesem Tag. Da habe ich meine Unterlagen sofort abgeschickt und bekam die Stelle nach den Bewerbungsgesprächen tatsächlich angeboten.

Lena Mellin: Mein Weg hierher war nicht so weit. Nur eine Stunde von hier bin ich in einem kleinen Dorf zwischen Neuruppin und Rheinsberg aufgewachsen. Vor einiger Zeit hatte mich mein Vater, der in unserer Kreisverwaltung im Jagd-, Fischerei- und Gewässerschutz tätig ist, zu einem Tag der offenen Tür ans IGB Stechlin mitgenommen. Ich fand die vorgestellten Projekte sehr interessant und habe mich deshalb erkundigt, ob es möglich wäre, hier mitzuarbeiten. Und das hat geklappt, jetzt mache ich meine Bachelor-Arbeit bei Igor.

Worum geht es bei der Bachelor-Arbeit?

Lena Mellin: Ich teste zwei Apps, mit denen die Wasserfarbe und davon abgeleitet, die Wasserqualität von Seen abgeschätzt werden soll. Wenn es tatsächlich klappt, damit verlässliche Informationen zu generieren, könnten diese Apps von jeder Person genutzt werden, die als Fischer, Freizeitangler, Bootsfahrer oder Spaziergänger an oder auf einem See unterwegs ist. So könnten Bürgerwissenschaftlerinnen und Bürgerwissenschaftler ganz einfach mit dem Mobiltelefon Daten über einen See liefern.

Igor Ogashawara: Das man über die Wasserqualität Bescheid weiß, ist insbesondere wichtig bei Seen, die zur Trinkwasserversorgung dienen. Dazu nutzt man mehr und mehr die Techniken der Fernerkundung von Satelliten oder Flugzeugen aus. Aber Satelliten können nicht messen, wenn es bewölkt ist, und die Arbeit mit Flugzeugen ist oft zu teuer. Deshalb braucht man noch andere Techniken. Und eine davon ist, Bürgerwissenschaftler zu gewinnen und ihnen diese Mobilfunk-Apps an die Hand zu geben.

Auf welchem Prinzip beruhen die beiden Apps?

Igor Ogashawara: Mit den Apps wird die Wasserfarbe bestimmt. Reines Wasser ist farblos. Erst die Inhaltsstoffe – z.B. Mineralien, absedimentierende Partikel und in der Wassersäule schwebende einzellige Algen – sind für die Farbe des Wassers verantwortlich. Beispielsweise erscheinen kalkhaltige Seen aufgrund der Calcitkristalle oft türkis und nährstoffreiche Seen sehen grün aus, weil Algen sich darin gut vermehren können. Deshalb kann man von der Wasserfarbe auf die Inhaltsstoffe eines Sees und damit auf dessen Wasserqualität zurückschließen.

Wie funktionieren die beiden Apps?

Lena Mellin: Das ist relativ einfach. Man nimmt Fotos von den Wasseroberflächen auf und versucht anhand dieser, die Wasserfarbe abzuschätzen. Bei der ersten App – sie wurde von niederländischen Wissenschaftlern entwickelt und heißt «Eye On Water» – vergleicht man die Wasserfarbe auf dem Foto mit einer von der App eingeblendeten Farbskala. Bei der zweiten, in den USA entwickelten App namens «HydroColor» ist es ähnlich. Für einen besseren Farbabgleich müssen bei HydroColor aber neben dem Foto von der Wasseroberfläche auch noch Bilder vom Himmel und von einer grauen Karte mit gleichen Schwarz- und Weißanteilen aufgenommen werden.

Igor Ogashawara: Das Ziel ist, gute Daten zu liefern. Deshalb ist es wichtig, einige Regeln einzuhalten, die von den Apps jeweils erklärt werden. Beispielsweise gilt es, Schattenwurf und Blendeffekte zu vermeiden. Und je nach App muss das Smartphone zur Aufnahme der Fotos in eine bestimmte Position gebracht werden.

Wie finden Sie heraus, ob die Apps tatsächlich zuverlässige Daten liefern?

Lena Mellin: Dafür vergleichen wir die Ergebnisse, die wir mit den Apps erzielen, mit Werten, die wir parallel mit Sensoren aufnehmen. Wir arbeiten zum einen mit Handgeräten, die man unmittelbar über die Wasseroberfläche hält, um die Wasserfarbe zu bestimmen. Zum anderen greifen wir aber auch auf Daten zurück, die mittels Sensoren in Flugzeugen oder Satelliten aufgenommen wurden.

Sie gehen aber auch noch einen Schritt weiter und versuchen, von der Wasserfarbe auf die Menge an Algen zu schließen...

Igor Ogashawara: ... Ja, das ist ein Aspekt, der mich besonders interessiert. Ausgehend von unseren Daten zur Wasserfarbe modelliere ich, wie groß die Menge an Algen und Cyanobakterien im Wasser ist. Dabei helfen mir die Chlorophyll- und Phycocyaninkonzentrationen. Das sind die photosynthetisch aktiven Pigmente dieser Organismen. Gerade die Cyanobakterien, die auch als Blaualgen bekannt sind, sind in dieser Hinsicht von besonderer Bedeutung. Denn darunter gibt es toxinbildende Arten, sodass es gefährlich sein kann, in Seen mit einer Blaualgenblüte zu baden oder das Wasser als Trinkwasser zu nutzen.

In Projekt CONNECT untersuchen Sie zudem, inwieweit Algenblüten von See zu See weitertransportiert werden, wenn die Gewässer miteinander verbunden sind.

Igor Ogashawara: Richtig. Anhand der Wetterprognosen wird schon heute versucht vorherzusagen, ob und wohin sich Algenblüten je nach Windrichtung ausbreiten. Das ist gerade für verbundene Gewässer wie beispielsweise die Havelseen oder die 5 Großen Seen Nordamerikas von Interesse. Schon heute gibt die Ozean- und Atmosphärenbehörde der USA Berichte über die Algensituation am Eriesee zwischen Juli und Oktober heraus.

Ansprechpersonen

Stella A. Berger

Forschungsgruppenleiter*in
Forschungsgruppe
Phytoplanktonökologie
Projekte

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