Herr Ogashawara, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Auszeichnung! Worüber haben Sie sich am meisten gefreut?
Im Nominierungstext stand unter anderem, dass ich mich sehr engagiert und auf vielfältige Weise für die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses einsetze. Das hat mich sehr gefreut, denn auch ich bin die Person, die ich heute bin, weil mein wissenschaftliches Interesse früh geweckt und gefördert wurde. Mittlerweile gibt es viele Möglichkeiten, mit anderen und vor allem mit jungen, forschungsbegeisterten Menschen in Kontakt zu kommen. Ich habe zum Beispiel gerade als Mentor an einem Hackathon teilgenommen, bei dem es darum ging, digitale Lösungen für Wasserprobleme indigener Gemeinschaften zu entwickeln. Außerdem habe ich die GEO AquaWatch Early Career Society aufgebaut, deren Co-Vorsitzender ich jetzt bin.
Das klingt inspirierend! Können Sie mehr darüber erzählen, welche Begegnungen und Erfahrungen Sie dazu motiviert haben, sich mit Wasser- und sozialen Themen zu befassen?
Meine wissenschaftliche Leidenschaft für Gewässer begann im Alter von 12 Jahren. Man muss wissen, dass die Wasserqualität in Brasilien ein sehr wichtiges Thema ist: Aufgrund unseres Klimas und der hohen Wasserverschmutzung haben wir das ganze Jahr über mit Blüten von Cyanobakterien (Blaualgen) zu kämpfen. Die Wasserqualität ist aufgrund von Rückständen aus der Fischzucht ebenfalls ein großes Problem im Land.
In meiner Heimatstadt São Carlos gab es ein von Dr. José Galizia Tundisi geleitetes Projekt am Internationalen Institut für Ökologie, in dem ich ausgebildet wurde, um andere Schüler*innen über die Bedeutung von Süßwasser zu unterrichten. Später, im Alter von 15 Jahren, erhielt ich ein Stipendium, um die Auswirkungen der Fischzucht in Netzkäfigen auf die Wasserqualität von Stauseen zu untersuchen.
Eine beeindruckende Leistung für einen so jungen Menschen...
Es war aufregend, so früh meine eigene Forschung zu betreiben, und ich habe sie während der Zeit an der High School fortgeführt. Bis zum Beginn meines Studiums hatte ich bereits drei größere Projekte umgesetzt, dafür Auszeichnungen erhalten und bin zu internationalen Konferenzen nach Polen, Deutschland, Russland und in die USA gereist. Interessanterweise habe ich meine erste große Auszeichnung 2006 in Deutschland erhalten: den dritten Platz in der Kategorie Umweltwissenschaften auf der Internationalen Konferenz für Junge Wissenschaftler*innen (ICYS) in Stuttgart. Auch bei diesem Projekt ging es um Wasser, nämlich darum, wie Wasserpflanzen Zink und Nährstoffe aufnehmen.
Sind diese frühen Erfolge auch ein Grund dafür, dass Sie sich heute für den wissenschaftlichen Nachwuchs einsetzen?
Ja, diese frühen positiven Erfahrungen mit der Wissenschaft möchte ich heute weitergeben und anderen jungen Menschen als Mentor zur Seite stehen. Auch dem Thema bin ich treu geblieben: Ich bin studierter Geograph und mit Leib und Seele Gewässerforscher.
Was ist heute Ihr Forschungsschwerpunkt?
Ich untersuche, wie man mit Hilfe von Fernerkundungsdaten, zum Beispiel mit Satellitenbildern, die Umweltüberwachung von Gewässern verbessern kann. Herkömmliche Wasserüberwachungsmethoden haben ihre Grenzen: Direkte Messungen an Gewässern sind nur punktuell möglich, manche Gewässer sind schwer zugänglich, und Forscherinnen und Forscher können und sollen nicht ständig um die Welt reisen. Um sich einen räumlichen Überblick zu verschaffen oder Umweltveränderungen in Echtzeit und im Zeitverlauf zu erfassen, sind deshalb Satellitendaten sehr hilfreich. So können zum Beispiel Algenblüten schnell erkannt und räumlich eingegrenzt werden.
Das haben wir übrigens gerade auch auf dem GEO-Gipfel in Kapstadt an die Minister*innen weitergegeben. Wir brauchen diese politische Unterstützung, um bessere Sensoren auf die Satelliten zu bekommen und die Zugänglichkeit und den internationalen Austausch der Daten zu verbessern.
Steckt die Nutzung von Fernerkundung für das Umweltmonitoring also noch in den Kinderschuhen?
Nein, eigentlich nicht. Für terrestrische Systeme werden Satellitendaten schon seit den 70er Jahren genutzt, um Umweltveränderungen zu erfassen und zu bewerten. Ein Beispiel ist mein Heimatland Brasilien, wo diese Methode seit Jahrzehnten eingesetzt wird, um den Rückgang der Regenwälder zu dokumentieren. Auch in den Meereswissenschaften gibt es diese Methode schon seit den 80er Jahren. Für Binnengewässer wird Remote Sensing im Vergleich dazu noch nicht so lange eingesetzt. Es ist auch nicht einfach, die Methoden von marinen Systemen auf Süßwasser zu übertragen. Schließlich wird die Farbe der Ozeane hauptsächlich vom Phytoplankton beeinflusst, während Süßwasser auch Zooplankton, Huminstoffe, Schwebstoffe und anderes Material aus dem umgebenden Land enthält.
Was tun Sie, um dieses Problem zu lösen?
Es ist eine Herausforderung, die Technologie an die Bedürfnisse der Gewässerökologie anzupassen. Im Jahr 2028 wird es zum Beispiel einen neuen Satelliten geben, der die verschiedenen grünen Pflanzenfarbstoffe des Phytoplanktons besser erfassen kann. Auch das gehört zur Arbeit im Forschungsbereich – die enge Zusammenarbeit mit der Raumfahrt. Ich wollte zwar nie Astronaut werden, aber die besondere Perspektive auf die Erde fasziniert mich ungemein. Deshalb habe ich meine Zeit am brasilianischen National Institute for Space Research (INPE), wo ich meinen Master of Science in Remote Sensing gemacht habe, sehr genossen.
"Ich wollte zwar nie Astronaut werden, aber die besondere Perspektive auf die Erde fasziniert mich ungemein."
Wie sind Sie dann zum IGB gekommen, um im CONNECT-Projekt zu arbeiten?
Es war einer der lustigsten Zufälle meines Lebens. Ich hatte gerade ein Buch veröffentlicht: "Bio-optische Modellierung und Fernerkundung von Binnengewässern". Ich war im Internet auf der Suche nach dem Cover für eine Präsentation, als ich auf eine Stellenanzeige für das CONNECT-Projekt am IGB stieß, die fast genau den gleichen Titel wie das Buch trug. Das klang für mich fast wie Fügung. Die Bewerbungsfrist war in wenigen Tagen und ich musste mich beeilen, aber es hat geklappt. Zu der Zeit war ich noch in den USA an der Indiana University – Purdue University Indianapolis (IUPUI), wo ich meine Doktorarbeit über das Monitoring von Cyanobakterienblüten in Gewässern schrieb. Dort hätte ich auch bleiben können, aber das IGB mit seinem Seelabor hat mich sehr interessiert – obwohl die zukünftigen Kolleg*innen mich gleich im Online-Bewerbungsgespräch vorgewarnt haben, dass der Stechlinsee nicht in Berlin liegt. Tatsächlich liebe ich aber diese Umgebung.
Im Projekt CONNECT haben Sie dann am Beispiel von Seen in Brandenburg untersucht, wie man die Gewässerüberwachung durch Fernerkundung verbessern kann. Wie geht es jetzt weiter?
Ja, CONNECT war ein sehr spannendes Projekt. Auch, weil wir die Überwachung der Wasserqualität mit verschiedenen Methoden angegangen sind: monatliche Probenahmen, Hochfrequenzsensoren und Fernerkundung. Die Probenahmen haben wir mit Satellitenüberflügen synchronisiert. Damit hatten wir eine Grundlage, um bio-optische Modelle zur Berechnung des Chlorophyllgehalts aus Fernerkundungsdaten zu verbessern. Jetzt bin ich im IGB-Projekt Water-ForCE: Wasserszenarien für die Nutzung von Copernicus. Das europäische Copernicus-Programm hat das Ziel, eine moderne und leistungsfähige Infrastruktur für die globale Erdbeobachtung mit Satelliten aufzubauen. Wir entwickeln eine Roadmap, wie die verschiedenen Dienste dieses Programms für Wasserfragen zusammengeführt werden können. All dies wird dazu beitragen, den Wasserkreislauf – Niederschlag, Bodenfeuchte, Ausdehnung und Wassermenge – sowie die Wasserqualität von Seen, Flüssen und Feuchtgebieten in einer völlig neuen räumlichen und zeitlichen Dimension zu erfassen. Das wird letztendlich ein Meilenstein für die Trinkwassergewinnung, die Nahrungsmittelproduktion und die Ökologie sein. Ich freue mich darauf!