
Junge Flussfische brauchen verschiedene Lebensräume | Foto: Michel Roggo
„Bei der Renaturierung von Fließgewässern ist es mitunter nicht gelungen, die Fischlebensgemeinschaften nachhaltig zu stärken. Wir konnten zeigen, dass Flussfische vernetzte Auen als Kinderstube brauchen. Besonders Jungfische sind während ihres Wachstums auf verschiedene Lebensräume angewiesen, die zugänglich sein müssen“, sagt der leitende Wissenschaftler Dr. Twan Stoffers, der die Studie an der Universität Wageningen begonnen und am IGB abgeschlossen hat.
Renaturierung: Mosaik verschiedener Lebensräume lässt Fische gedeihen
In der Studie am Niederrhein identifizierten die Forschenden fünf Haupttypen von Lebensräumen für junge Flussfische: (1) exponierte Bereiche mit schnell fließendem Wasser und grobem Substrat; (2) nicht fließende Bereiche mit hoher Trübung und hohem Chlorophyll-Gehalt – was auf Kleinstalgen als Nahrungsgrundlage hinweist; (3) flache, bewachsene Lebensräume mit Wasserpflanzen und Ufervegetation; (4) tiefere, geschützte Lebensräume mit struktureller Komplexität; und (5) flache, langsam fließende Bereiche.
Die Nutzung der verschiedenen Lebensräume veränderte sich im Laufe der Entwicklung der einzelnen Fischarten deutlich: Fischlarven bevorzugten im Allgemeinen flache Lebensräume unter 50 Zentimeter Tiefe, entweder in langsam fließenden Bereichen (z. B. Rapfen, Orfe) oder in Zonen mit Wasserpflanzen (z. B. Ukelei, Bitterling, Brasse und Zander). Größere Jungfische nutzten zunehmend tiefere Lebensräume und bevorzugten schnell fließende Bereiche (z. B. Rapfen, Barbe, Orfe) oder tiefere, nicht fließende Lebensräume (z. B. Brasse, Zander).
Für Renaturierungen besonders relevant: Mehr als 60 Prozent der untersuchten Fischarten wechselten während ihrer Entwicklung zwischen allen fünf Lebensraumtypen. Plötze und Zander beispielsweise beginnen ihr Leben in pflanzenreichen Flachwasserbereichen, bevor sie in tiefere Bereiche mit vielen Versteckmöglichkeiten abwandern. Einige gefährdete Arten wie Nase und Barbe sind dagegen stark auf bestimmte Aufwuchsgebiete angewiesen – flache, fließende Gewässer mit grobem Substrat. „Renaturierungsmaßnahmen sollten daher ein Mosaik von Lebensräumen schaffen“, sagt Twan Stoffers.
Flussabschnitte mit vernetzten Auen sind artenreicher
Die Studie unterstreicht auch die Bedeutung der Verbindung zwischen Auen und Fluss sowie zwischen verschiedenen Lebensräumen. In den Auen, die das ganze Jahr über mit dem Hauptstrom verbunden sind, lebten mehr Fische und viele verschiedene Arten. Auch viele renaturierte Auen verlieren diese Verbindung jedoch bei Niedrigwasser im Sommer – ein Engpass für die Entwicklung der Jungfische. „Jungfische brauchen Zugang zum Hauptfluss, sobald sie stark genug sind, um zu wandern“, sagt Leo Nagelkerke, Co-Leiter der Studie von der Universität Wageningen. Der Verlust dieser Verbindung kann die Wirkung von Renaturierungsmaßnahmen für die Fischgemeinschaften stark beeinträchtigen.
Anpassung an den Klimawandel
Die Studie zeigt auch, wie wichtig es ist, Renaturierungsvorhaben und Klimaanpassungsmaßnahmen gemeinsam zu denken. Steigende Temperaturen und häufigere extreme Wasser- und Abflussschwankungen schränken die Rolle der Auen als Laich- und Aufwuchsgebiet für Fische ein, zeitgleich brauchen diese aber auch tiefere Passagen als Rückzugsort, wenn das Wasser knapp wird. Naturnahe, vielfältige und mit dem Fluss vernetzte Auen sind deshalb wichtige Vorsorgemaßnahmen für die Tiere und dienen zeitgleich dem natürlichen Wasserrückhalt in der Landschaft – ein Mehrwert für Natur, Klima und Menschen gleichermaßen.
Die Forschenden bestimmten die Anzahl und Arten der Fische in den verschiedenen Lebensräumen im Niederrhein. | Foto: Twan Stoffers

Foto: Michel Roggo

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