In Polen gibt es eine kleine Zahl von Seen, in die seit 60 Jahren Kühlwasser aus Kohlekraftwerken eingeleitet wird. In diesen Gewässern liegt die Temperatur deshalb durchschnittlich 3 bis 4 Grad Celsius höher als in anderen Seen der Umgebung. „Sie eignen sich also perfekt, um die globale Erwärmung zu simulieren und uns einen Blick in die Zukunft zu gewähren“, sagt IGB-Forscherin Justyna Wolinska, die die Studie zusammen mit Sławek Cerbin (AMU) leitete. Um zu verstehen, wie sich parasitäre Epidemien in erwärmten Gewässern ausbreiten, nahmen sie und ihre Kollegen Proben aus diesen Seen und verglichen sie mit nahegelegenen Kontrollseen, in die kein wärmeres Wasser eingeleitet wurde.
Dabei stellten die Forschenden fest, dass der gesuchte Parasit unter Daphniengemeinschaften in den beheizten Seen weniger verbreitet war als in den Kontrollgebieten. Doch woran lag das? Wirkte sich die erhöhte Temperatur etwa schädlich auf den Erreger aus? Oder gab es unter den Daphnien unterschiedlich ausgeprägte Wirtsresistenzen?
Um das herauszufinden, führten die Forschenden zusätzlich Versuche unter Laborbedingungen durch. Dabei verglichen sie die Infektionsanfälligkeit zwischen Daphnienklonen, die sie zuvor aus den beheizten und den Kontrollseen isoliert hatten – jeweils bei zwei verschiedenen Temperaturen. Sie konnten zeigen, dass Daphnien aus den künstlich beheizten Seen weniger anfällig für eine Infektion waren als solche aus den Kontrollseen. Die Versuchstemperatur hatte dabei keinen Einfluss auf das Infektionsgeschehen.
„Unsere Daten belegen in diesem Fall nicht, dass eine Erwärmung grundsätzlich zu mehr Infektionen führt“, resümiert Erstautor Marcin Krysztof Dziuba. „Stattdessen hängt es vom jeweiligen Kontext ab, wie sich die Dynamiken von Wirt und Parasit in einer sich erwärmenden Welt verändern.“ Im Fall der polnischen Seen könnte die Temperaturerhöhung die Ausbreitung der parasitären Epidemie eingeschränkt haben – etwa durch eine veränderte Hydrologie der Seen, die sich auf das Überleben und die Verbreitung der Erregersporen auswirkt. Gleichzeitig könnte durch die Koevolution von Wirt und Parasit in den unbeheizten Kontrollseen verhindert worden sein, dass dieser Erreger die beheizten Seen erneut besiedeln kann.
„Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass Parasiten nicht grundsätzlich schlecht sind“, betont Justyna Wolinska. Verschwindet ein Parasit aus einem Ökosystem, führe das nicht zwingend zu einem gesünderen Zustand. Im Gegenteil: fehlen Parasiten, könnten die Funktionen des Systems ernsthaft gestört werden. Deshalb sei es so wichtig zu verstehen, wie Parasiten auf erhöhte Temperaturen reagieren.
Die Untersuchungen wurden im Rahmen des Projekts Paradapt durchgeführt, das von Prof. Justyna Wolinska und Prof. Sławek Cerbin geleitet wird. Es wird von der DFG und dem Polish National Science Center kofinanziert sowie durch ein persönliches Stipendium des DAAD und des Polish National Science Center für Marcin Krzysztof Dziuba unterstützt.