Blitzlicht
Nadja Neumann

Kometenschweif-Test zeigt Erbgutschäden von Dauereiern an

Dauerstadien sind ein besonderes Naturphänomen: In Dauereiern, Sporen oder Samen kann das Erbgut eines Organismus über einen Winter oder sogar mehrere hundert Jahre erhalten bleiben und wiedererweckt werden, so dass sich daraus ein Lebewesen entwickelt. Für Forschende sind Dauerstadien deshalb wie ein Blick ins Genarchiv: Unter welchen Umweltbedingungen haben sich Erbanlagen verändert, und haben solche Veränderungen möglicherweise zu einer Anpassung an die neuen Bedingungen geführt? Manche Dauerstadien, insbesondere Pflanzensamen, werden aufbewahrt, um die Artenvielfalt zu schützen und für zukünftige Generationen zu sichern. Doch auch dieses sehr gut geschützte genetische Erbe kann Schaden nehmen. Ein Team unter Leitung des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und dem Norwegian Institute of Public Health hat eine einfache und kostengünstige Methode getestet, um geschädigte DNA in Dauereiern von Wasserflöhen nachzuweisen. Diese Methode könnte auch für andere natürliche Bioarchive genutzt werden.

Die Dauereier von Wasserflöhen können über mehrere Dekaden im Sediment verbleiben und dann wieder Leben hervorbringen. Um Schäden am Erbgut zu detektieren, wurde der Komet-Assay adaptiert. | Foto: Luc De Meester

Wenn sich auf dem Elektrophorese-Gel ein langer Schweif wie bei einem Kometen abzeichnet, ist das für IGB-Forscherin Dr. Dagmar Frisch kein gutes Zeichen: Der so genannte Kometen-Assay zeigt dann an, dass die untersuchte Zelle einen hohen Grad an Schäden im Erbgut aufweist. Geschädigte DNA bewegt sich im elektrischen Feld schneller als intakte DNA-Stränge und hinterlässt dabei quantifizierbare Signaturen, die Kometenschweifen ähneln. Die Größe des Kometenschweifs spiegelt also den relativen DNA-Schaden wider. Dennoch freut sich die Wissenschaftlerin über das Ergebnis: Es zeigt, dass der Test für ihre neue Anwendung funktioniert.

Der Comet-Assay ist nämlich eigentlich ein Test, um die Toxizität von chemischen Substanzen auf das Erbgut von menschlichen Zellen zu untersuchen. Ein internationales Team unter Leitung von IGB-Forscherin Dr. Dagmar Frisch und Dr. Marcin Wojewodzic vom Norwegian Institute of Public Health hat die Methode nun weiterentwickelt, um die mit dem Alter oder unter Umweltstress zunehmenden Erbgutschäden von Wasserfloh-Dauereiern zu beurteilen. Die Methode hat auch das Potenzial, nicht nur die Qualität von Überdauerungsstadien in Archiven und Sammlungen ohne aufwendige DNA-Analysen zu überprüfen, sondern auch in natürlichen aquatischen Bioarchiven, z. B. in Seesedimenten. „Der Vorteil des Testverfahrens ist: Wir können es auf einzelne Dauerstadien anwenden, die den Umwelteinflüssen in einer natürlichen Umgebung ausgesetzt waren", sagt Marcin Wojewodzic. Rejin Salimraj, Erstautor der Studie ergänzt: „Zudem ist er sehr kosteneffizient und einfach umsetzbar“. 

Dauereier: Zeitkapseln für die Klimafolgenforschung

In der Natur gibt es verschiedene Überdauerungsstadien; Samen sind jedem geläufig. Ein anderes Beispiel sind die Dauereier von Wasserflöhen. Diese pflanzen sich eigentlich durch Jungfernzeugung ungeschlechtlich fort: Die Nachkommen sind Klone der Mutter und damit weiblich. Werden die Umweltbedingungen jedoch unwirtlich, dann bilden sich auch Männchen aus. Aus der geschlechtlichen Fortpflanzung entstehen dann langlebige Dauereier. Dagmar Frisch nutzt diese, um vergangene ökologische und evolutive Prozesse zu verstehen. „Dauereier sind wie Zeitkapseln. Sie können Jahrhunderte im Sediment von Seen überdauern. Sie helfen uns beispielsweise in der Forschung dabei, Anpassungsmechanismen von Lebewesen an verschiedene Umweltbedingungen zu verstehen. Das kann uns unter anderem wichtige Informationen für die Klimafolgenforschung liefern“, sagt die Wissenschaftlerin. 

 

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