Mechanismen und Funktionen von kollektivem Anti-Räuber-Verhalten
Projektsteckbrief
Laufzeit
Tiere, die sich in Gruppen oder Schwärmen zusammenschließen, profitieren oft von einem geringeren Risiko von einem Räuber gefressen zu werden als wenn sie alleine wären. Diese Gruppen agieren oft als Einheit um sich vor Räubern zu schützen, und kollektive Räubervermeidung ist bei vielen Tierarten wie Bienen, Fischen oder Huftieren bekannt. Ein Beispiel für ein Gruppenverhalten ist die kollektive Flucht. Dabei reagieren nur einige Individuen einer Gruppe auf einen Räuber. Diese Reaktion überträgt sich auf die anderen Gruppenmitglieder und die gesamte Gruppe setzt sich so in Bewegung. Dieses Fluchtverhalten dient zumeist dazu, dem Räuber auszuweichen und den Bereich akuter Gefahr zu verlassen. Doch gibt es auch Tierarten, bei welchen Individuen wiederholte Fluchtbewegungen zeigen, ohne sich dabei von ihrer Position weg zu bewegen. Die wellenartige Ausbreitung dieser kollektiven Fluchtbewegungen könnte Räuber in ihrem Angriff stören, doch gibt es kaum empirische Belege, dass so ein Verhalten sich negativ auf Prädationsraten auswirkt. Weiterhin ist nur wenig darüber bekannt, wie Tiere solch ein komplexes Gruppenverhalten überhaupt koordinieren können. Das Ziel dieses Forschungsvorhabens ist es, die Funktionen und Mechanismen von sich wiederholenden Fluchtbewegungen in Tiergruppen zu untersuchen. Als Studiensystem setzen wir lebendgebärende Fische (Gattungen Poecilia und Gambusia) ein, die auf Vogelattacken mit kollektivem Tauchverhalten reagieren. Die im Süden Mexikos in nahezu sauerstofffreien Schwefelwasserstoff-Quellen lebenden Fische halten sich aufgrund der extremen Umweltbedingungen vorwiegend in der sauerstoffreichen Schicht unterhalb der Wasseroberfläche auf. Hier bilden sie riesige Schwärme und sind daher besonders gefährdet, von Vögeln gefressen zu werden. Während eines Vogelangriffs zeigen die Fische ein einzigartiges kollektives Verhalten: sie tauchen schnell ab und wieder auf, ohne sich aus dem Angriffsbereich zu entfernen. Dieses Tauchverhalten breitet sich im Schwarm aus und resultiert in einem sich wiederholenden, wellenartigen Muster auf der Wasseroberfläche. Durch Feldbeobachtungen und kontrollierte Laborexperimente versuchen wir zu klären, (a) ob und wie das sich wiederholende, wellenartige Tauchverhalten Räuber beeinflusst, (b) wie die Fische ihr Tauchverhalten an variable Umweltbedingungen adaptieren und (c) wie dieses kollektive Verhalten durch artübergreifende Interaktionen in gemischt-artlichen Schwärmen beeinflusst wird. Die Innovation des Projektes liegt in der Kombination aus experimentellen und theoretischen Ansätzen, die erstmals ein holistisches Bild von kollektivem Verhalten ermöglichen.
DFG: BI 1828/3-1