GLANCE

Auswirkungen des Globalen Wandels auf Fließgewässerökosysteme

Flussabschnitt in der Bergregion von Hengduan. | Foto: Fengzhi He

Genaue Kenntnis von präferierten Abfluss- und Strömungsbedingungen ist eine wichtige Voraussetzung für die Vorhersage von Änderungen der Artengemeinschaften

Glance war ursprünglich ein auf vier Jahre angelegtes, vom BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung) gefördertes Projekt, das in der Verlängerung um ein fünftes Jahr ergänzt wurde (2014-2020) und am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin angesiedelt war. GLANCE untersuchte vor dem Hintergrund des Klimawandels die Auswirkungen von veränderten Abflussbedingungen in Fließgewässern auf das Makrozoobenthos (z.B. Larven von Eintagsfliegen, Köcherfliegen und Steinfliegen, Muscheln, Schnecken oder auch Würmern) und Fische.

Der Klimawandel wirkt sich unterschiedlich auf Süßwasser-Ökosysteme aus, z.B. durch steigende Wassertemperaturen, sich verändernde Abflussmuster, abnehmende Sauerstoff-konzentrationen, während z.B. die Nährstoffgehalte zunehmen. Aufgrund der engen Verflechtung mit ihrer Umwelt und der starken anthropogenen Nutzung, gelten Flüsse und Bäche als besonders anfällig für globale Veränderungen wie zu erwartende längere Dürreperioden, häufigere und höhere Hochwasserereignisse oder ein verringertes Wasserdargebot. Gleichzeitig reagieren die in den Fließgewässern lebenden Organismen empfindlich auf diese Veränderungen - denn letztlich wird die Verfügbarkeit ihrer Lebensräume eingeschränkt. Bisher blieb die Analyse solcher Auswirkungen des globalen Wandels in Flüssen jedoch oft auf qualitative Aspekte beschränkt. Das Projekt GLANCE fokussierte daher auf die Auswirkungen der, durch den globalen Wandel verursachten, veränderten Abfluss- und Strömungsverhältnisse auf benthische Wirbellose und Fische in Fließgewässern. Dabei zielte es insbesondere auf die quantitative Erhebung dieser Veränderungen ab und untersuchte diese sowohl hinsichtlich der räumlichen Ausdehnung (regional bis global) als auch der ökologischen Aspekte (einzelne Arten, Lebens-gemeinschaften, ökologische Präferenzen). Vorhersagemodelle zur Beschreibung und Projektion der Auswirkungen des globalen Wandels in Fließgewässern sowohl für die Hydrologie als auch für verschiedene Organismengruppen (hier: Art-Areal-Modelle; engl. Species Distribution Models - SDMs), konnten durch die Arbeiten im Projekt erheblich weiterentwickelt werden. Unsere Forschung hat gezeigt, dass Abflussmuster und Extremereignisse mit klimatischen Faktoren zusammenhängen, die auf unterschiedlichen zeitlichen und räumlichen Skalen auftreten. Im Gegensatz zur ökologischen Modellierung ist die hydrologische Modellierung in Bundes- und Landeseinrichtungen gängige Praxis, die Anwendung ist jedoch stark nach Sektoren getrennt. Die kurz- und langfristige Anpassung an hydrologische Veränderungen erfordert jedoch nicht nur die weitere Integration von Klimaprognosen, sondern auch die Interaktion zwischen den Sektoren, um das volle Potenzial für die Bewirtschaftung auszuschöpfen. Die Ergebnisse erlauben es verschiedene Sektoren wie Landwirtschaft, Wasserinfrastruktur und Süßwasser-Biodiversität gemeinsam zu analysieren.

GLANCE untersuchte zunächst in  vier Teilprojekten den Einfluss von sich ändernden Abflussbedingungen auf den Makrozoobenthos und Fische in Flüssen:

  • Bestimmung und Quantifizierung der hydrologischen Präferenzen benthischer Wirbelloser
  • Einflüsse des globalen Wandels auf hydrologische und hydraulische Bedingungen
  • Verbesserung von Projektionen, die die Auswirkungen des Klimawandels auf Fließgewässerorganismen beschreiben
  • Großräumige Abschätzung von hydrologischen Veränderungen und möglichen ökologischen Auswirkungen
  • Um die Wirkungen des Projekts zu maximieren wurde während der Aufstockungsphase ein weiteres Teilprojekt hinzugefügt, in dem eine Synthese- und weiterführende Fragestellungen bearbeitet und die Projektergebnisse hinsichtlich der wasserwirtschaftlichen Anwendung diskutiert wurden.

Für drei Regionen in Deutschland entwickelte Vorhersagemodelle geben Aufschluss über gegenwärtige und zukünftige, veränderte Abflussbedingungen

Die ökologischen Anforderungen des Makrozoobenthos wurden mittels verfügbarer durch Probenahmen erhobener Daten in drei Untersuchungsgebieten in Deutschland statistisch ausgewertet. Untersucht werden dabei die Treene (Tiefland), die Kinzig (Mittelgebirge) und die Ammer (Alpenregion). Die Ergebnisse der Modellierungen sind hydrologische Parameter unter derzeitigen und zukünftigen Bedingungen. Die Erkenntnisse, die durch die Modellierung und Datenanalysen gewonnen wurden, konnten dann in Vorhersagemodelle integriert werden, um Auswirkungen der Abflussänderungen auf das Makrozoobenthos und Fische zu modellieren. Es wurde schließlich versucht, entsprechende Daten auf europäischer und globaler Ebene zusammen zu tragen und vergleichend zu analysieren, um die Ergebnisse zu extrapolieren.

Forschungsergebnisse dienen effizienterem Gewässermanagement

Die erzielten Resultate können grundsätzliche dazu beitragen, die Bewirtschaftung der Gewässer im Sinne der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) zu verbessern. Anwendungsmöglichkeiten finden sich z.B. bei der effizienten Ausgabe von Mitteln für die Gewässerbewirtschaftung, z.B. durch Planung geeigneter Monitoringprogramme oder durch die verbesserte Erfolgseinschätzung bei Renaturierungsmaßnahmen. Drei Aspekte spielen in diesem Zusammenhang eine besonders wichtige Rolle: (1) eine verbesserte Abschätzung der hydrologischen Belastung oder der Auswirkungen von Veränderungen könnte die Unsicherheit bei der Bewertung von Fließgewässern verringern, (2) Bewirtschaftungspläne sollten die Auswirkungen des Klimawandels berücksichtigen, aber auch die Anpassung von Überwachungsprogrammen zur Beobachtung und Bestimmung der Auswirkungen des Klimawandels in Fließgewässern ist erforderlich, und (3) Wiederherstellungsmaßnahmen könnten die hydrologischen (und hydraulischen) Bedingungen in wiederhergestellten Flussabschnitten beeinflussen - mehr Wissen über Präferenzen und Toleranzen der Organismen in dieser Hinsicht könnte dazu beitragen, die Erwartungen an mögliche Verbesserungen anzupassen.

Die jährlichen Sitzungen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Wasser (LAWA) und ihrer Expertengruppe Fließgewässer ermöglichten es fortlaufend, Vertreter*innen aller Bundesländer und des Umweltbundesamtes (UBA), die in der Fließgewässer-bewirtschaftung und für die Umsetzung der WRRL in Deutschland tätig sind, über die Projektergebnisse in Kenntnis zu setzen und weitere Ideen zu diskutieren. Über diese, von Beginn des Projekts an, gepflegte Kooperation erfolgte eine direkte Übergabe der Ergebnisse in die wasserwirtschaftliche Praxis. Ebenso wurden die Erkenntnisse bei den Treffen der LLUR Schleswig-Holstein zur "Hydrologischen Diskussion" und beim jährlichen "Hydrologie-Workshops" der Universität Kiel vorgestellt und diskutiert. In Phase 2 wurde das Projekt in intensiven halbtägigen Sitzungen mit Vertreter*innen der drei Landesämter (Bundesländer, in denen die drei Untersuchungsgebiete Treene, Kinzig, Ammer liegen) dargestellt. Hier wurden die Forschungsergebnisse vorgestellt, die Vor- und Nachteile zur Anwendung diskutiert und weiterer Anwendungs- und Forschungsbedarf dokumentiert. Ergebnisse wurden und werden ebenso auf nationalen und internationalen Konferenzen, Workshops und Meetings vorgestellt und als Manuskripte in diversen Zeitschriften veröffentlicht.

Steckbrief

Laufzeit

01.08.2014
30.04.2020
Abteilung(en)
(Abt. 2) Ökologie der Lebensgemeinschaften und Ökosysteme
Programmbereiche
Aquatische Biodiversität im Anthropozän
Projektteam am IGB
Projektleitung
Wissenschaftler
Doktorand
Doktorandin
Doktorand
Projektassistenz
Ansprechpersonen

Sonja Jähnig

Abteilungsleiter*in
Forschungsgruppe
Aquatische Ökogeographie

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