Fokus
Nadja Neumann

Das ist der optimale Tümpel für Amphibien

Artenschutz im Kleinen
Amphibien sind Landtiere, können sich aber nur im Wasser fortpflanzen. Am liebsten leben sie in und an Kleingewässern. Doch dieser Lebensraum wird immer seltener – allein in Deutschland ist im letzten Jahrhundert mehr als die Hälfte der Tümpel verschwunden. Wer Amphibien schützen will, muss daher auch Tümpel und Teiche erhalten, aufwerten oder neu anlegen. Doch wie sieht er aus, der Amphibientümpel, in dem sich möglichst viele Arten wohlfühlen? Forscherinnen und Forscher unter Leitung der katalanischen Universität Vic und mit Beteiligung des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) haben in einer europaweiten Studie ermittelt, welche Faktoren eine hohe Amphibienvielfalt in Kleingewässern begünstigen. Klimatische Faktoren spielen dabei eine wichtige Rolle, sind aber oft nicht vor Ort beeinflussbar. Aber Spielraum gibt es trotzdem, denn auch lokale Faktoren sind wichtig, wie die Studie zeigt: Geringe Nährstoffbelastung, mittelgroß und eher flach, keine Fische – das wäre optimal. Aber Vorsicht mit den Fischen: Von ihnen sind ebenfalls viele Arten bedroht, so dass im Einzelfall zwischen Fisch- und Amphibienschutz abgewogen werden muss.
Amphibien schauen in einem Tümpel aus dem Wasser.

Beispielfoto: Moorfrösche in einem Tümpel. | Foto: Solvin Zankl

Ein Teich oder Tümpel ist per Definition ein stehendes Gewässer mit einer Wasserfläche von weniger als 5 Hektar. In Deutschland werden künstlich angelegte Kleingewässer in der Regel als Teiche (deren Wasserstand in der Regel regulierbar ist) und natürlich entstandene Kleingewässer als Tümpel oder Weiher bezeichnet. Diese machen weltweit schätzungsweise mehr als 30 Prozent der Binnengewässerfläche aus. Sie haben in den letzten Jahren besonders unter Wassermangel gelitten. Europaweit verzeichnen sie historische Tiefstände, viele trocknen dauerhaft aus. Für Amphibien, die an Land und im Wasser leben, sind sie kleine Oasen. „Doch Wassermangel, zunehmender Nutzungsdruck auf die umgebende Landschaft und der Klimawandel mit seinen Wetterextremen setzen diesen Ökosystemen und damit auch den Amphibien, die auf sie angewiesen sind, stark zu“, erklärt IGB-Direktor Prof. Dr. Luc De Meester, Mitautor der Studie.

Amphibien sind die am stärksten bedrohte Wirbeltiergruppe. In Europa ist etwa ein Viertel der Arten laut der Roten Liste der Weltnaturschutzorganisation (IUCN) als bedroht eingestuft (d.h. in den Kategorien „gefährdet“, „stark gefährdet“ oder „vom Aussterben bedroht“ eingruppiert). „Wir müssen daher besser verstehen, mit welchen Faktoren wir die Amphibienbestände positiv beeinflussen können“, sagt IGB-Wissenschaftler Dr. Thomas Mehner, Mitautor der Studie.

Diese Amphibien kamen in den untersuchten Kleingewässern vor

In der Gesamtheit der untersuchten Gewässer wurden dreißig verschiedene Amphibienarten nachgewiesen. Die durchschnittliche Anzahl der Arten pro Gewässer betrug 3 Arten, wobei Spanien den höchsten durchschnittlichen lokalen Reichtum mit rund 5 Arten aufwies und das Vereinigte Königreich den niedrigsten, mit rund 2 Arten. Einige Arten waren auf ein einziges Land beschränkt, wobei Spanien die höchste Anzahl einzigartiger Arten aufwies (9), gefolgt von der Türkei (5), der Schweiz (1) und Deutschland (1).

Die häufigste Art war der Teichmolch (Lissotriton vulgaris), die in 41,8 Prozent aller Kleingewässer der untersuchten Länder vorkam, gefolgt vom Nördlichen Kammmolch (Triturus cristatus, 30,4 %), der Erdkröte (Bufo bufo, 27,9 %) und dem Grasfrosch (Rana temporaria, 25,4 %).

Auf den Breitengrad kommt es an, aber auch lokale beeinflussbare Faktoren spielen eine Rolle

Aus anderen Studien ist bekannt, dass der Artenreichtum von Amphibien mit dem Breitengrad zusammenhängt, da Klimafaktoren wie Wasserverfügbarkeit und Temperatur für diese wechselwarmen und stark feuchtigkeitsabhängigen Tiere wichtige, das Verbreitungsgebiet begrenzende Faktoren sind. Diese Beziehung zu klimatischen Faktoren zeigt auch die aktuelle Studie. „Abgesehen davon zeigen wir jedoch, dass lokale Merkmale der Tümpel und Teiche eine genauso wichtige Rolle spielen wie die klimatischen Faktoren. Und diese lassen  sich natürlich besser  beeinflussen“, sagt Thomas Mehner.

Die höchste Vielfalt an Amphibienarten fanden die Forschenden in Kleingewässern mit wenig Nährstoffen, ohne Fische, von mittlerer Größe, mit flachem Wasser und ausgeprägter Uferbepflanzung. Teiche, die in Schutzgebieten liegen, wiesen einen etwas höheren Amphibienartenreichtum auf. Mit den folgenden Maßnahmen lässt sich also durch Berücksichtigung der lokalen Faktoren ein artenreicher Amphibienteich gestalten:

Foto zeigt eine Algenblüte in einem See.Foto: Luc De Meester

Nährstoffbelastung reduzieren

Der wichtigste Indikator zur Erklärung der Variation des Amphibienartenreichtums in dieser Studie war die Chlorophyll-a-Konzentration. Die Chlorophyll-a-Konzentration zeigt die Algenbiomasse an und ist somit auch ein Indikator für die Nährstoffbelastung. Denn wenn viele Nährstoffe im Wasser vorhanden sind, können Algen besonders gut wachsen. Nährstoffbelastungen in Teichen können den Artenreichtum von Amphibien verringern, indem sie die Überlebensrate von Eiern und Larven reduzieren, den Fortpflanzungserfolg verringern und die Anfälligkeit für Krankheiten erhöhen. „Nährstoffbelastungen sind ein häufiges Problem in Teichen, die sich in der Nähe landwirtschaftlich genutzter Flächen befinden und erhöhten Mengen an Kunst- und Naturdünger ausgesetzt sind. Daher sollten sich Managementoptionen zur Erhöhung des Amphibienartenreichtums  auf die Umsetzung von Maßnahmen zur Verringerung der Nährstoffbelastung und auf ein Viehmanagement konzentrieren, welches den Zugang von Weidetieren zu den jeweiligen Gewässern einschränkt“, sagt Thomas Mehner. Dies gilt insbesondere für Gewässer, die bisher nur geringen Nährstoffbelastungen ausgesetzt waren: Bei niedrigen Konzentrationen hat bereits ein geringer Anstieg des Chlorophyll-a-Gehalts einen starken negativen Einfluss auf den Amphibienreichtum, so ein Ergebnis.

Foto zeigt Ufer des Enkelsees

Foto: Michael Feierabend

Die optimale Teichfläche und -tiefe

Teichfläche und -tiefe sind ebenfalls wichtige Faktoren für den Amphibienreichtum. Die Ergebnisse zeigen, dass der höchste Artenreichtum in mittelgroßen (200–2.500 qm) und flachen (weniger als 1,5 m tief) Gewässern beobachtet wurde. Dieses Muster könnte darauf zurückzuführen sein, dass kleinere und flachere Teiche mit höherer Wahrscheinlichkeit austrocknen, während in größeren und tieferen Gewässern häufiger Fische leben bzw. überleben. „Diese Mechanismen können dazu führen, dass der Amphibienreichtum bei mittleren Werten der Teichgröße und -tiefe seinen Höhepunkt erreicht“, sagt Thomas Mehner.

Foto zeigt Hecht zwischen Wasserpflanzen.

Foto: Michael Feierabend

Fische: Amphibien- und Fischschutz abwägen

Die Zahl an Fischarten erwies sich als signifikanter Faktor für den Rückgang der Amphibienvielfalt, insbesondere wenn drei oder mehr Fischarten in einem Kleingewässer vorkamen. Raubfische werden allgemein als Ursache für den Rückgang der Amphibienvielfalt angesehen. Amphibieneier, Kaulquappen und adulte Tiere sind anfällig für Prädation durch verschiedene Fischarten, die in der Studie gefunden wurden (z.B. die gebietsfremden Arten Giebel und Sonnenbarsch, oder der Hecht). Darüber hinaus können Fische mit Amphibien um lebenswichtige Nahrungsressourcen konkurrieren und eingeführte Fische können pathogene Pilze übertragen, was die Sterblichkeit von Eiern weiter erhöht. „Was die Bewirtschaftung betrifft, so sollten Amphibienteiche ohne natürliche Fischbestände auch fischfrei gehalten werden. Man muss jedoch bedenken, dass einige europäische Fischarten – wie die Karausche – selbst bedroht sind, und es ist wichtig, dies bei Managemententscheidungen zu berücksichtigen“, sagt Thomas Mehner.

Teichvegetation und Landnutzung spielen laut dieser Studie eine untergeordnete Rolle

Obwohl Teichpflanzen für die Amphibiengemeinschaft wichtig ist, weil sie bspw. Unterschlupf, Schutz und Nahrung bieten, erklärten sie in dieser Studie nur einen sehr geringen Teil der Variation des Reichtums an Amphibienarten. Diese Beobachtung steht im Gegensatz zu anderen Studien, die zeigen, dass die Vegetation ein zuverlässiger Bestimmungsfaktor für den Amphibienreichtum ist. Auch die direkten Landnutzungsfaktoren im Umkreis von 100 Metern, wie ein urbanes Umfeld, Landwirtschaft, Straßen oder Schutzgebiete, hatten keinen so starken Einfluss auf den Artenreichtum der Amphibien wie die anderen Faktoren.

„Die Studie zeigt, dass eigentlich überall – auch im urbanen Kontext – artenreiche Amphibiengewässer vorkommen können.  Diese Studie kann direkt in die Entwicklung europaweiter Initiativen, wie dem European Pond Conservation Network einfließen und liefert wichtige Informationen für Teichprojekte auf lokaler Ebene, die es Entscheidungsträger*innen ermöglichen, besser informierte Amphibienschutzmaßnahmen zu ergreifen“, sagt Thomas Mehner.

 

Methodik

Das Forschungsteam hat 201 Kleingewässer in sieben europäischen Ländern in die Studie einbezogen und für jeden Tümpel oder Teich bestimmte Merkmale definiert. Die Artenvielfalt der Amphibien wurde mit Hilfe von eDNA aus Wasserproben bestimmt. eDNA steht für environmental DNA. Damit lassen sich die genetischen Fingerabdrücke bestimmen, die Organismen in ihrem Lebensraum hinterlassen. Der relative Einfluss von Klima, lokalen unbelebten und belebten Faktoren sowie Landnutzungsvariablen auf die Variation des Amphibienartenreichtums in den Teichen wurde mit Hilfe von Regressionsbäumen (boosted regression trees) quantifiziert. Ökologinnen und Ökologen verwenden dieses statistische Modell, um Zusammenhänge zwischen verschiedenen Umweltfaktoren zu erklären und Vorhersagen zu treffen. Es ist flexibel genug, um typische Eigenschaften ihrer Daten wie Nichtlinearitäten und Wechselwirkungen zu berücksichtigen.

Was die Studie nicht berücksichtigt hat

Die Studie hat zwar aktuelle klimatische Einflussfaktoren, aber keine historischen Klimavariablen berücksichtigt. Frühere Untersuchungen haben gezeigt, dass paläoklimatische Prozesse einen großen Einfluss auf den heutigen Gradienten des Amphibienartenreichtums haben. Zukünftige Studien, die diese Daten einbeziehen, könnten daher ein noch umfassenderes Verständnis dafür liefern, wie historische und gegenwärtige Prozesse bei der Gestaltung der Amphibienvielfalt zusammenwirken.

Außerdem wurden nicht alle Einflussfaktoren berücksichtigt, wie z.B. das Nahrungsangebot (Dichte großer Invertebraten), die Beschattung oder die Vernetzung zwischen Kleingewässern, das Vorhandensein von Umweltchemikalien und deren Auswirkungen. Feldstudien sind nur begrenzt in der Lage, eindeutige Ursache-Wirkungs-Beziehungen herzustellen. Dennoch ist die Verwendung von boosted regression trees in diesem Kontext einer komplexen Datenstruktur zuverlässig und die Ergebnisse liefern ein klares Muster, wie mehrere Gewässermerkmale eine Rolle bei der Erklärung des Amphibienartenreichtums von Teichökosystemen auf einer großen geografischen Skala spielen.

Selected publications
Januar 2025

Drivers of amphibian species richness in European ponds

Alejandro López-de Sancha; Lluís Benejam; Dani Boix; Lars Briggs; Maria Cuenca-Cambronero; Thomas A. Davidson; Luc De Meester; Julie C. Fahy; Pieter Lemmens; Beatriz Martin; Thomas Mehner; Beat Oertli; Marzenna Rasmussen; Helen M. Greaves; Carl Sayer; Meryem Beklioğlu; Rein Brys; Sandra Brucet
Ecography. - XX(2025)XX, Art. e07347
Biodiversität