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Fernerkundungsdaten könnten zukünftig Monitoring und Schutz von Seen erleichtern

Seelabor
Das Projekt CONNECT, an dem unter Federführung des IGB sieben Partnerinstitutionen beteiligt sind, startete im Mai 2019 mit der Datenerhebung, die noch bis Jahresende 2020 läuft. Stella Berger und Sabine Wollrab berichten im Interview von ersten Ergebnissen und erklären, warum die Arbeit in einem multidisziplinären Team besonders interessant ist und dem Projekt gut tut.

Auf 19 mehr oder weniger stark durch Flüsse und Kanäle miteinander verbundenen Seen im Norddeutschen Tiefland wurden Messbojen installiert. Etwa zweieinhalb Meter messen die kleinen Plattformen. Dort werden Werte aus Wasser und Luft aufgenommen. | Bild: CONNECT/IGB

Im Projekt CONNECT haben Sie sich miteinander verbundene Seen entlang von Flusssystemen vorgenommen. Sie wollen Daten sammeln und auswerten, die es künftig erleichtern sollen, Monitoring- und Schutzmaßnahmen für diese Seen durchzuführen. Warum gerade verbundene Seen?

Stella Berger: Wir untersuchen im Projekt insgesamt 19 Seen in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Dazu gehören die relativ stark miteinander verbundenen Seen entlang der Oberen Havel, einige Seen der Feldberger Seenplatte, deren Konnektivität schwächer ausgeprägt ist, sowie der Stechlinsee. Letzterer ist zwar kaum mit den umliegenden Seen verbunden, wir führen hier aber experimentelle Untersuchungen zur Konnektivität von Seesystemen im darin befindlichen Seelabor durch. Seen leiden überproportional stark unter menschlichen Belastungen und den Auswirkungen des Klimawandels – beispielsweise unter extremen Wetterereignissen wie Hitzewellen, Stürmen und wärmeren Wintern. Insbesondere Seen entlang von Flusssystemen sind derzeit mehrheitlich in einem mäßig bis unbefriedigenden ökologischen Zustand und können die Erwartungen der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie nicht unbedingt erfüllen.

Welche Daten werden genommen und ausgewertet?

Stella Berger: Wir erheben zahlreiche physikalische, chemische und biologische Daten im und über dem Wasser – von der Sichttiefe und optischen Kalibrierungsmessungen über Nährstoffe und Organismen wie Bakterien, Phyto- und Zooplankton bis hin zu Austauschraten von Treibhausgasen. Unsere Messungen erfassen auch Chlorophyll-a und Phycocyanin. Das sind Pigmente, die das Vorkommen von Algen anzeigen, von denen vor allem Cyanobakterien ein wichtiger Indikator für die Wasserqualität sind. Messbojen, die wir in allen 19 Seen installiert haben, liefern uns kontinuierliche Werte. Zusätzlich nimmt unser Team in regelmäßigen Abständen Proben aus den Seen, die mit Satellitenüberflügen zeitlich abgestimmt sind. Das Spannende ist, dass wir all diese Daten, die wir selbst vor Ort erheben, mit Fernerkundungsdaten abgleichen können. Damit haben wir eine Grundlage, um bio-optische Modelle zur Berechnung des Chlorophyll-Gehalts aus Fernerkundungsdaten zu verbessern.

Sabine Wollrab: Die Fernerkundungsdaten stammen aus Überflügen der optischen Erdbeobachtungssatelliten Sentinel 2A und 2B. Beide sind mit multispektralen Kameras ausgestattet, deren räumliche Auflösung hoch genug ist für Seen mittlerer Größe. Die Satelliten erfassen quasi die Gewässerfarbe, welche unter anderem auch von den Wasserinhaltsstoffen und Organismen abhängt, in bestimmten spektralen Bändern. Aus diesen Daten ist es möglich, den Zustand der Binnengewässer zu beurteilen. Alle zwei bis drei Tage überfliegen die Sentinels unser Erhebungsgebiet. Das Problem: Oft sind zu viele Wolken am Himmel, auch bei sehr gutem Wetter. Dann gibt es keine verwertbaren Satellitenbilder. Deshalb sind die eigenen, bodennahen Spektralmessungen ein wichtiger Bestandteil unseres Projekts, da diese auch bei bedecktem Himmel Daten liefern.

Wie machen Sie diese Daten nutzbar?

Sabine Wollrab: Wir wollen aus den optischen Messungen den Chlorophyllgehalt ermitteln. Hierzu werden die bio-optischen Modelle durch den Vergleich mit vor Ort erhobenen Daten kalibriert. Bei erfolgreicher Kalibrierung können die Fernerkundungsdaten zukünftig im größeren Maßstab unterstützend fürs Monitoring und zum Schutz von Binnengewässern eingesetzt werden. Man sieht, wie repräsentativ ein Messpunkt für den gesamten See ist, und kann im Prinzip auch zwischen den Probennahmen beobachten, wie sich ein See entwickelt. Das ist zum Beispiel interessant für Naturschutzbehörden, die Messkampagnen gezielter planen können, denn die Fernerkundungsdaten können Hinweise geben, wann es sich lohnt, selbst Messungen vorzunehmen.

Die sind dann nicht verzichtbar?

Stella Berger: Nein, Messungen der Wasserinhaltsstoffe vor Ort und Analysen im Labor sind weiterhin notwendig, um punktuell Basiswerte zum Abgleich der Fernerkundungsdaten zu erhalten. Mit Satellitendaten können wir zwar größere Flächen und damit mehrere Gewässer gleichzeitig optisch erfassen, sie ersetzen derzeit aber keineswegs die Messungen vor Ort. Der Stechlinsee zum Beispiel zeigt auf Satellitenbildern wenig Chlorophyll und gilt auch als Klarwassersee. Dies reflektiert aber nur den Algengehalt in den oberen Wasserschichten. Bei ihm verbirgt sich das Phytoplankton in der Tiefe, was verdeutlicht, dass die vertikale Verteilung der Algen und auch der Nährstoffe wichtig ist, um die Wasserqualität beurteilen zu können. In Zukunft könnte eine Kombination strategisch platzierter Messbojen, die auch vertikale Profile aufnehmen, mit Fernerkundung eine gezielte und zeitlich optimierte Beprobung vor Ort ermöglichen.

Sie haben im Mai 2019 begonnen, Daten zu erheben. Gibt es schon Zwischenergebnisse?

Stella Berger: Erste Ergebnisse bestätigen unsere Erwartungen zum Einfluss von Konnektivität auf Seesysteme. So zeigen die Daten der Fernerkundung ebenso wie unsere eigenen Erhebungen, dass die relativ stark miteinander verbundenen Havelseen sich ähnlich und saisonal synchronisiert sind. Wir können das aus dem Algengehalt und der Zusammensetzung des Phytoplanktons sowie aus der Sichttiefe ableiten. Durch die Fernerkundungsdaten lässt sich ein Chlorophyll-Gradient entlang der Fließrichtung der Oberen Havel erkennen, beispielsweise vom Zotzensee über den Labussee bis hin zum Ellbogensee. Auch der Seentypus, ob tief oder flach, beeinflusst den Algengehalt und die Zusammensetzung. Im Vergleich dazu zeigen schwach verbundene Seen zum gleichen Zeitpunkt einen eher individuellen Charakter.

Sabine Wollrab: Wir analysieren bei CONNECT auch den Austausch von Treibhausgasen zwischen dem Wasser und der Atmosphäre, um herauszufinden, ob es einen Zusammenhang zwischen Algenvorkommen und dem Ausstoß klimarelevanter Gase wie Methan und Kohlendioxid gibt. Dazu nutzen wir Messhauben, mit denen wir erfassen, in welchen Mengen diese Gase abgegeben oder aufgenommen werden. Erste Ergebnisse weisen auf eine hohe saisonale Variabilität hin, zeigen aber auch große Unterschiede zwischen den Seen. Woran das liegen könnte, ermitteln wir gerade. Ein wichtiges Zwischenergebnis ist auch, dass es uns gelungen ist, aus den verschiedenen bio-optischen Modellen jenes herauszufinden, das am besten funktioniert, und es so zu kalibrieren, dass es sehr gute Werte liefert. Das hat einfach super geklappt!

CONNECT vereint ja Fachleute verschiedenster Disziplinen, von Chemie über Physik bis zur Ökologie und den Geowissenschaften. Wie lief die Zusammenarbeit ab?

Stella Berger: Das ist durchaus eine Herausforderung, wir mussten erst einmal eine gemeinsame Sprache finden. Wir haben die Zusammenarbeit aber von Anfang an als enorm spannend und motivierend empfunden, denn durch die vielfältigen Disziplinen kommen unterschiedliche Ideen zusammen, die einen Mehrwert für das Projekt bedeuten. Nur in einem so vielfältigen Team kann man eine Studie durchführen, in der derart viele Parameter parallel erhoben und zueinander in Bezug gesetzt werden können.

Sabine Wollrab: Spannend ist zum Beispiel auch, Stand- und Fließgewässer kombiniert zu erforschen. Das sind ja innerhalb der Gewässerökologie eher getrennte Disziplinen. Man lernt unheimlich viel voneinander, wenn man gemeinsam ein solches Projekt plant und durchführt, da auf diese Weise unterschiedliche Ansätze kombiniert werden können und der eigene Blickwinkel erweitert wird.

Das Gespräch führte Wiebke Peters.

Ansprechpersonen

Stella A. Berger

Forschungsgruppenleiter*in
Forschungsgruppe
Phytoplanktonökologie

Sabine Wollrab

Forschungsgruppenleiter*in
Forschungsgruppe
Theoretische Ökologie
Projekte