Christian Wolter liegt die Oder am Herzen, erst recht, seit im Juli und August 2022 bis zu 1.000 Tonnen Fisch im Fluss verendeten. Seit mehr als 20 Jahren fährt sein Team dreimal im Jahr mit dem Forschungsschiff in mehreren Tagesetappen den Fluss entlang und wirft zu Forschungszwecken die Netze aus. So konnte er die Entwicklung der Fischbestände über die Jahre bis auf einzelne Arten genau dokumentieren und das Ausmaß der menschengemachten Umweltkatastrophe erfassen. Seine Erkenntnisse kommuniziert er in Interviews und Vorträgen und setzt sich mit wissenschaftlich fundierten Argumenten für einen besseren Schutz des Flussökosystems und gegen den von deutscher und polnischer Seite geplanten Ausbau als Wasserstraße ein. Wir haben Christian Wolter gefragt, was ihn antreibt.
Herr Wolter, warum ist die Oder Ihr Forschungsfluss?
Als großer Fluss ist die Oder mit ihrer Dynamik und ihren Prozessen grundsätzlich spannend. Außerdem ist sie über weite Strecken bis zum Meer unverbaut – und damit, zumindest was Wanderhindernisse für Fische angeht, frei fließend. Damit ist sie der letzte große deutsche Strom, in dem man die Entwicklung der Fischbestände noch in Abhängigkeit von verschiedenen Umweltfaktoren untersuchen kann.
Was hat Sie in diesem Jahr an der Oder besonders bewegt, gefreut, erschreckt?
Umgetrieben hat mich natürlich, das Ausmaß der Katastrophe zu erfassen und zu erforschen, wie es den Fischen ergangen ist. Gut ist, dass sich die Katastrophe trotz unbegrenzter Salzeinleitung nicht wiederholt hat und in diesem Jahr aufgrund guter Laich- und Brutbedingungen viele Jungfische in der Oder schwimmen. Gefreut hat mich auch, dass das öffentliche Interesse am Wohlergehen der Oder ungebrochen ist. Erschüttert bin ich über die Ignoranz, mit der wir trotz der Katastrophe mit unseren Flüssen umgehen, etwa das Festhalten und Weiterführen der Ausbaupläne und die fehlende oder sehr inkonsequente Ursachenbekämpfung. Ich werde mich mit meiner Forschung also auch weiterhin für eine Verbesserung des Zustands der Oder einsetzen.
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