Einblick

Nachts sind alle Forscher grau

Das Bakterienteam auf Probenahme am Seelabor
Während des Seelabor-Versuchs 2016 werden nicht nur regelmäßig Proben am Tag, sondern auch in der Nacht genommen. Einmal wöchentlich fährt beispielsweise das Team um IGB-Wissenschaftler Gabriel Singer kurz vor der Morgendämmerung hinaus. Ihr Fokus liegt auf den Gewässerbakterien, die für den Abbau des organischen Materials zuständig sind.

Um sechs Uhr ist der nächtliche Spuk am Seelabor vorbei. Schon dämmert der Tag und das Team fährt mit den gesammelten Wasserproben zurück ins Labor. | Foto: Martina Bauchrowitz

Fünf Uhr morgens, noch ist es stockduster. Unten am Bootshaus einige dunkle Silhouetten, ich rufe ein «Guten Morgen» in die Runde und erkenne die Kollegen erst an ihren Antworten. «Wenn jeder eine Schwimmweste und eine Stirnlampe hat, können wir losfahren. Sind alle bereit?», Gabriel Singer zählt sein Team durch. Mit acht Helfern geht es heute zur nächtlichen Probenahme aufs Seelabor. Dort angekommen, wird kaum ein Wort gesprochen, nur in der Ferne ruft der Waldkauz. Alle wissen genau, was sie zu tun haben, und huschen als graue Schatten mit ihren Gerätschaften geschickt von Versuchszylinder zu Versuchszylinder. Auf den Arbeitsbrücken werden die Schläuche ausgerollt, in den See gesenkt und das Wasser in die Kanister abgefüllt. Alles läuft reibungslos im Dunkeln ab. Zum Glück kennt das Seelabor-Team die Forschungsplattform und ihre Stolperfallen wie seine Westentasche[nbsp]— schließlich sind die Stirnlampen nur für den Notfall gedacht.

Wöchentlich werden während des diesjährigen Seelabor-Versuchs – und zwar jeweils in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch kurz vor der Morgendämmerung – integrierte Proben aus dem Oberflächenwasser bis in 7,5 Metern Tiefe genommen. Ziel ist es, darin das gelöste organische Material zu charakterisieren sowie Art und Dichte der Gewässerbakterien zu erfassen. Weil das Team zudem eine Tagprobenahme durchführt, wird es letztlich möglich sein, die Ergebnisse sowohl aus den Tag-/Nachtproben als auch aus den beleuchteten und unbeleuchteten Versuchszylindern miteinander zu vergleichen.

«Prinzipiell ist es so», erklärt Gabriel Singer, «je mehr Substrat, also gelöstes organisches Material, den Bakterien zur Verfügung steht, desto aktiver sind sie und desto stärker vermehren sie sich.» So erwarten die IGB-Wissenschaftler, dass sich durch die Beleuchtung das komplexe Nahrungsnetz verschiebt, was sich letztlich auch auf die Bakteriengemeinschaft auswirken könnte. Steigt beispielsweise die Konzentration des gelösten organischen Materials an, würde es zu einer verbesserten Versorgungssituation für die Bakterien und weitreichenden Konsequenzen für die Zusammensetzung der mikrobiellen Gemeinschaft kommen.