Frau Tetzlaff, bei dem Wort Dürre denkt man an Wochen ohne Regen, an ausgetrocknete Böden und verdorrte Vegetation. Wie sehen Sie das als Hydrologin?
Das ist im Prinzip alles richtig. Dürren haben aber noch andere Symptome, zum Beispiel das zeitweilige Austrocknen der Oberflächengewässer. Dies ist zusammen mit den Schwankungen der Bodenfeuchte relativ gut erforscht. Woran viele nicht sofort denken: Auch in Dürreperioden ist tief unter der Erdoberfläche und unterhalb der Wurzelzone noch Wasser vorhanden. Man kann sich eine Landschaft wie eine Badewanne vorstellen: In feuchten Perioden ist sie gut gefüllt – man spricht von Sättigung. Die verschiedenen Wasserspeicher sind miteinander verbunden und „übriges“ Wasser durch Niederschlagsereignisse fließt kontinuierlich ab. In Trockenperioden nimmt dieser Wasserspeicher in der Landschaft ab und wird zunehmend unterbrochen. An manchen Stellen ist dann noch Wasser vorhanden, an anderen bereits nicht mehr – auch weil das Wasser in verschiedenen Landschaftsteilen auf unterschiedliche Weise verbraucht wird; Verdunstung spielt hier eine große Rolle. Das ist auch der Grund, warum sich Trockenperioden nicht überall und zu jeder Zeit gleich auswirken.
Und daher ist es so wichtig, die Auswirkungen von Dürreperioden auf Landschaftsebene zu betrachten?
Ja, insbesondere die mittlere Landschaftsskala (10-100 km²) ist für die Bewirtschafter von Einzugsgebieten oft am greifbarsten und relevantesten. Auf dieser Skala können prozessbasierte Erkenntnisse gewonnen werden, die für das gesamte Gebiet aussagekräftig sind. Derzeit basieren die meisten Dürrevorhersagen auf begrenzten Daten, einer vereinfachten Darstellung von Landschaftsmerkmalen und einem Fokus auf sehr kleine (weniger als 10 km²) oder sehr große (mehr als 1000 km²) räumliche Skalen. Der mittlere Landschaftsmaßstab ist wichtig, weil er die Vielfalt unserer Landschaften in Bezug auf verschiedene Landnutzungsmosaike, einschließlich Landwirtschaft, Wälder und Feuchtgebiete, widerspiegelt. Und es gibt noch einen weiteren Grund: In den meisten Klimazonen – mit Ausnahme der ariden und semiariden Gebiete – führen Fließgewässer in der Regel das ganze Jahr über Wasser, aber bei zunehmender Trockenheit können auch hierzulande größere Abschnitte trocken fallen, häufiger austrocknen und für längere Zeit von der übrigen Landschaft abgeschnitten sein – mit zum Teil dramatischen Folgen für die Biodiversität oder Ökosystemleistungen.
Können Sie erklären, warum Landschaftsmosaike eine zentrale Rolle bei der Bewertung von Trockenperioden spielen?
Landschaften sind hinsichtlich ihrer Topographie, Bodentypen und Geologie sehr heterogen. Diese Merkmale bestimmen, wo in der Landschaft die wichtigsten Wasserspeicher liegen, aber auch die generellen Muster von Landnutzung. Das Ausmaß einer Dürre wird maßgeblich von der Bodenbedeckung bestimmt, da verschiedene Vegetationstypen unterschiedliche Verdunstungs- und Transpirationsraten aufweisen, die wiederum von der Wasserverfügbarkeit im Untergrund abhängen. Dürren wirken sich also nicht auf ganze Regionen oder Landschaften in gleicher Weise aus, sondern Dürreeffekte sind spezifisch und variieren von Landschaftsausschnitt zu Landschaftsausschnitt. So sind in vielen Einzugsgebieten der gemäßigten und borealen Zone Feuchtgebiete, insbesondere Moore mit tiefgründigen organischen Böden, die während Dürreperioden widerstandsfähiger gegen Wasserentzug sind und oft in Talsohlen und topographischen Senken liegen, die „Hotspots“ großer Wasserspeicher. In höher gelegenen Gebieten mit dünnen Böden kommt es hingegen zu einem schnelleren Austrocknen und Absinken des Wassers, was zu einer geringeren ökohydrologischen Widerstandsfähigkeit und einer größeren Anfälligkeit gegenüber Dürren führt.
© David Ausserhofer/IGB
„Angesichts der zunehmenden Dürrerisiken müssen wir sicherstellen, dass unsere Landschaften widerstandsfähig genug sind, um diese Herausforderungen zu bewältigen. Dies ist nicht nur eine Frage der Ökologie, sondern auch unserer Lebensgrundlagen.“
Wie gehen Sie vor, um dieses Problem der Heterogenität von Dürreeffekten und -anfälligkeit wissenschaftlich zu erfassen?
Entscheidend ist der Zugang zum so genannten Speicherkontinuum, also jenen Wassermengen, die im Untergrund gespeichert sind, d.h. in den Böden und den darunter liegenden Grundwasserleitern. Das Volumen und die Zugänglichkeit dieses Speicherkontinuums bestimmen, ob wasserbezogene Ökosystemleistungen auf Landschaftsebene zu allen Zeiten – von den feuchtesten bis zu den trockensten Perioden – erbracht werden können. Dabei gilt in der Regel: Je höher die landschaftliche Vielfalt, desto mehr Verbindungen zum Speicherkontinuum sind potenziell vorhanden. Und das verbessert die hydrologische Resilienz. Das Speicherkontinuum reicht von Gebieten mit hoher Speicherkapazität und ökohydrologischer Resilienz, wie Feuchtgebieten, bis hin zu Gebieten mit geringer Speicherkapazität und geringer ökohydrologischer Resilienz, wie landwirtschaftlich genutzte Flächen und forstwirtschaftliche Monokulturen.
Wie verhalten sich diese verschiedenen Wasserspeicher während einer Dürre und welche Folgen hat das für die Vegetation?
Unter normalen, feuchten Bedingungen sind die unterirdischen Speicher miteinander verbunden und räumlich ausgedehnt, sowohl in der Höhe als auch in der Breite. Die oberirdischen Speicher – also Oberflächengewässer, Oberböden aber auch in der Vegetation – werden durch regelmäßige Niederschläge ausreichend gefüllt. Bei einsetzender Trockenheit erschöpft sich der oberirdische Speicher. Darauf reagiert Ackerland aufgrund des flacheren Wurzelsystems empfindlicher als Baumbestände. Bei anhaltender Trockenheit werden die Wurzeln von tieferen, älteren Wasserquellen abgeschnitten. Auch die Wasserstände der Seen und Flüsse nehmen ab. Bäume können in dieser Phase mit ihrem weitreichenden Wurzelgeflecht oft noch tiefere Wasserreservoirs erschließen. Weniger produktives Grünland und Feuchtgebiete sind weniger von Trockenheit betroffen als Ackerland, da sie weniger Wasser verdunsten und gleichzeitig besser mit dem Grundwasserspeicher verbunden sind. Wird kein Wasser nachgespeist, erschöpfen sich bei zunehmender Trockenheit die oberirdischen Speicher aller Landnutzungstypen, wobei Feuchtgebiete auch dann am widerstandsfähigsten bleiben. Unter solchen extremen Bedingungen – wenn die Neubildung ausbleibt und der Grundwasserspiegel sinkt – können sich auch die tieferen Speicher leeren. Die potenziellen Folgen reichen von weniger reversiblen Kipppunkten bis hin zu Ernteausfällen, Austrocknung von Grasland, Rückgang des Baumwachstums oder Absterben von Wäldern, Trockenfallen von Feuchtgebieten, Unterbrechung von Kanalnetzen und Flussläufen.
Wie können wir dieses Wissen nutzen, um in Zukunft besser gegen Dürren gewappnet zu sein?
Ein besseres Verständnis darüber, wo Wasser in Einzugsgebieten gespeichert wird und wo es verloren geht, und wie sich geringe Niederschläge und hohe Verdunstungsraten auf Wasserflüsse und das Speicherkontinuum in Landschaften auswirken, bildet die Grundlage für neue, resilienzfördernde Konzepte in der Land- und Wasserwirtschaft. Die Erhaltung und Schaffung von Landschaftsmosaiken sind entscheidend für die Erhöhung der Resilienz unserer Landschaften. Dazu gehören unterschiedliche Muster der Landnutzung, der Verdunstung, der Grundwasserneubildung und der Speicherdynamik. So haben wir zum Beispiel in einem unserer Langzeituntersuchungsgebiete in Brandenburg – einem der Ecohydrology Demonstration Sites des UNESCO Intergovernmental Hydrological Programme – festgestellt, dass ungleichaltrige Mischwälder die höchste Resilienz gegenüber Trockenheit aufweisen, da dort im Vergleich zu anderen Vegetationsformen die Verdunstung abnimmt und die Grundwasserneubildung und der Grundwasserfluss steigen.