Das Wachstum des Phytoplanktons, also der Algen im Wasser, ist ein wichtiger Parameter für die Beurteilung der Wasserqualität. Eine Methode zur Bestimmung der Algenkonzentration ist die Messung von Chlorophyll-a im Wasser. Chlorophyll-a ist ein grüner Farbstoff, mit dem die Algen das Sonnenlicht absorbieren. Auch Blattgrün genannt, lässt Chlorophyll übrigens alle Pflanzen grün erscheinen. Chlorophyll-a in Oberflächengewässern kann durch Messung der Farbe des Wassers berechnet werden, die von Sensoren auf Satelliten im Weltraum "gesehen" wird, fast so, wie unsere Augen die Farben des Wassers sehen.
„Die Phytoplanktonmenge in Seen gibt Aufschluss darüber, wie viel Nahrung an der Basis des Nahrungsnetzes für andere Tiere verfügbar ist. Veränderungen der Phytoplanktonmenge sind Teil des natürlichen jahreszeitlichen Zyklus – ähnlich den jahreszeitlichen Veränderungen der Pflanzen an Land können aber auch die Reaktion eines Ökosystems auf größere externe Störungen wie den Klimawandel sein. Jede Veränderung hat Auswirkungen: Mehr Phytoplankton kann die Wasserqualität verschlechtern, weniger kann die Fischbestände reduzieren“, erläutert IGB-Forscher Benjamin Kraemer, der Erstautor der Studie.
Wie ein Puzzle: Betrachtet man die Einzelteile, dann dominiert Blau
Die Forschenden analysierten Satellitendaten für den Zeitraum von 1997 bis 2020 von 344 Seen weltweit. Diese repräsentieren 94 Prozent des Volumens der globalen Süßwasserseen. Daraus berechneten sie einen Trend für jeden der untersuchten Seen sowie die Trends pro definierte Flächengröße (Pixel) und für jeden Tag des Jahres. Die Größe der Pixel betrug 1 km für Seen in Europa und 4 km für den übrigen Teil der Welt, weil die Datenquellen dafür limitiert waren.
Es zeigte sich, dass 63 Prozent der Seen grüner wurden, das Algenwachstum also zunahm. „Dies ist jedoch nur ein Teil des Bildes: Nicht alle Seen sind gleich, und die größten der großen Seen wurden im Laufe der Zeit tendenziell immer blauer. Stellen Sie sich also ein Puzzle mit den 344 größten Seen der Welt vor, bei dem jeder See aus vielen Puzzleteilen besteht, von denen jedes einzelne blau oder grün ist. Würde man die Puzzleteile zerlegen und in blaue und grüne Gruppen aufteilen, wären am Ende mehr Teile in der blauen Schale, einfach weil der Flächenanteil von Blau höher ist", so Benjamin Kraemer.
Warum hat sich das Algenwachstum in Seen im Klimawandel so konträr entwickelt?
Der Forscher erklärt die Prozesse so: „Die Klimaerwärmung kann zu einer Zunahme von Phytoplankton führen, weil etwa die Wachstumsphasen länger werden oder weil sich die Zahl jener Tiere reduziert, die sich von Phytoplankton ernähren. Auch Nährstoffe, die aus den umgebenden Landschaften in Gewässer eingespült werden, regen das Algenwachstum an. Ein See kann im Klimawandel aber auch blauer werden. Dies hängt insbesondere mit der thermischen Schichtung eines Sees zusammen, die durch Erwärmung stabiler werden kann: Die Erwärmung des Oberflächenwassers führt dann dazu, dass Nährstoffe unterhalb dieser Schicht ‚gefangen‘ sind und nicht aufsteigen können. Das macht diese Stoffe für Phytoplankton unerreichbar und führt zu dessen Reduzierung und in der Folge zu einem blaueren See.“
In einer früheren Studie konnte der Wissenschaftler schon zeigen, dass im Zuge dieser Prozesse in algenarmen Seen das Algenwachstum weiter abnimmt, blaue Seen also blauer werden und in algenreichen Seen das Algenwachstum bei wärmeren Temperaturen angekurbelt wird, sie also grüner werden.
Darum werden große Seen blauer: Temperaturschichtung, invasive Muscheln und Managementmaßnahmen
Warum große Seen tendenziell blauer werden, konnten die Forschenden bei genauerer Betrachtung der Einzelbeispiele herausfinden. Das veränderte Schichtungsverhalten spielt in vielen Fällen eine Rolle. Im Lagodasee, dem größten See Europas in Nordwestrussland an der Grenze zu Finnland, wachsen wegen eines verbesserten Managements außerdem weniger Algen. In Ontario, Huron, Michigan hat sich eine invasive Muschelart stark ausgebreitet. Sie filtrieren das Wasser und ernähren sich von Phytoplankton.
Blau-grüne Übergänge
Aber auch innerhalb eines Sees können unterschiedliche Zustände herrschen: So spiegelt eine grünliche Farbe in der Nähe von menschlichen Einleitungen aus Landwirtschaft und Industrie eine stärkere Algenentwicklung durch eine höhere Nährstofflast wider. Auch flache Uferbereiche, in denen durch den Klimawandel längere Zeit hohe Temperaturen herrschen, wurden in den letzten 20 Jahren tendenziell grüner.
Anpassungen des Seenmanagements
„Politische Entscheider und Seenmanager sollten erkennen, dass lokale Veränderungen zu bestimmten Zeiten des Jahres stark von den seenweiten Durchschnittswerten abweichen können. Wichtige Wasserbewirtschaftungsmaßnahmen wie die Europäische Wasserrahmenrichtlinie und der Clean Water Act (USA) haben Bewirtschaftungsziele auf der Grundlage von seenweiten und jährlichen Durchschnittswerten festgelegt, die die hier gezeigte räumlich-zeitliche Komplexität nicht erfassen können“ stellt Benjamin Kraemer fest. Stattdessen sollten Bewirtschaftungsentscheidungen oder -maßnahmen auf feineren Metriken beruhen, die die räumlich-zeitlichen Schwankungen der Wasserqualität und Wasserqualitätstrends besser berücksichtigen.