Der Klimawandel wirkt sich nicht nur auf die Lufttemperaturen und Niederschläge an Land aus, auch unsere Bäche und Flüsse sind betroffen: die Wassertemperaturen steigen, die Strömungsverhältnisse ändern sich, die Sauerstoffkonzentration sinkt, während sich der Gehalt von Nährstoffen erhöht. Für die dort lebenden Pflanzen und Tiere bleibt das nicht ohne Folgen.
Klimawandel bringt Bewohner am Gewässergrund in Bedrängnis
Wer schon einmal einen Stein in einem Bach umgedreht und von unten betrachtet hat, der weiß: dort wimmelt es nur so von kleinen Tierchen. Zahlreiche Arten leben im Sediment oder besiedeln ins Wasser reichende Äste und Halme. Die kleinen, wirbellosen Tiere, die sich mit bloßem Auge erkennen lassen, nennt man Makrozoobenthos. Einige von ihnen – wie Muscheln, Schnecken und Krebse – verbringen ihr gesamtes Leben im Wasser, andere – wie Libellen und Eintagsfliegen – nur ihre Kinderstube, das Larvenstadium. Sie alle sind perfekt an das Leben in der Strömung angepasst. Doch Änderungen im Abflussverhalten, z.B. infolge stärkerer Hochwasserereignisse oder längerer Niedrigwasserperioden, bringen die Bewohner am Gewässergrund in Bedrängnis.
Verschiedene Vorlieben für Strömungsverhältnisse können Lebensgemeinschaften verändern
Die geplanten Untersuchungen führen die Forscher deshalb zum Grund unserer Fließgewässer. „Bei unseren Analysen stehen die ökologischen Bedürfnisse der Organismen im Vordergrund, doch wir werden auch sehr genau die Abfluss- und Strömungsverhältnisse im Gewässer betrachten und zugleich weitere auf die jeweiligen Flussabschnitte wirkenden Stressoren berücksichtigen“, erklärt Projektleiterin Dr. Sonja Jähnig, die seit Anfang des Jahres am IGB forscht. Einige Arten tolerieren eine große Bandbreite an verschiedenen Strömungsverhältnissen, andere benötigen hohe Fließgeschwindigkeiten (z.B. zur Nahrungsaufnahme), und wieder andere können nur in fast stehenden Gewässern überleben. Ändern sich die Umweltbedingungen, lässt das einige Arten verschwinden, neue wandern ein.
„Das bestehende Wissen über bevorzugte Strömungsverhältnisse ist jedoch zu lückenhaft, um die Bedeutung von Änderungen im Abflussverhalten für die Lebewesen abzuschätzen“, so Jähnig. „Mithilfe unserer Ergebnisse können wir die Veränderungen in den Lebensgemeinschaften wirbelloser Tiere am Gewässergrund künftig besser verstehen.“
Die Wissenschaftler werden sowohl neue Daten erheben, als auch vorhandene Daten statistisch auswerten. „In einem ersten Schritt werden wir Flüsse in drei naturräumlich sehr verschiedenen Regionen Deutschlands untersuchen: die Treene im norddeutschen Tiefland, die Kinzig im Mittelgebirge und die Ammer im Alpenraum“, erklärt IGB-Forscher Dr. Jens Kiesel, der in den nächsten drei Jahren Wasserhaushalts- und Strömungsmodelle in den drei Regionen erstellen und verfeinern wird, um zukünftige Änderungen im Abflussverhalten vorhersagen zu können. Schrittweise soll der Blickwinkel dann erweitert und Daten vergleichend analysiert werden: in ganz Deutschland und in Europa, denn regional treten große Unterschiede auf – sowohl bei den Lebensgemeinschaften als auch bei den Klimaszenarien. Die gewonnenen Daten sollen helfen, Vorhersagemodelle für die Auswirkungen des globalen Wandels in Fließgewässern zu verbessern.
Forschungsergebnisse sollen Gewässermanagement unterstützen
Die Forscher hoffen, dass ihre Ergebnisse langfristig dazu beitragen, Ausgaben für die Gewässerbewirtschaftung effizienter einzusetzen, z.B. durch die Planung geeigneter Monitoringprogramme oder durch die verbesserte Erfolgsabschätzung bei Renaturierungsmaßnahmen. Um die Erkenntnisse in die wasserwirtschaftliche Praxis umzusetzen, wurde zudem eine Kooperation mit der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) und dem Umweltbundesamt vereinbart.
Finanziert wird das Projekt im Rahmen des Programms "Forschung für Nachhaltige Entwicklungen" des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), das damit einen neuen Schwerpunkt zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses setzt. Die ausgewählten Nachwuchsgruppen leisten allesamt Beiträge zur Lösung praktischer Probleme, die sich aus dem globalen Wandel ergeben. Sie werden mit einer Projektlaufzeit von 4+1 Jahren gefördert.