Fokus
Angelina Tittmann

IGB leistet Beitrag zum IPCC-Bericht

Interview mit Prof. Rita Adrian
Rita Adrian befasst sich am IGB mit der Langzeit- und Klimafolgenforschung von Seen. Der Weltklimarat IPCC hat sie als Lead Author des Sechsten IPCC-Sachstandsberichts (AR6) ausgewählt, der 2021/22 veröffentlicht werden soll. Bereits am Fünften IPCC-Sachstandsbericht von 2014 hat Rita Adrian als Contributing Author die Arbeit der Hauptautoren unterstützt.

Prof. Dr. Rita Adrian leitet die Abteilung “Ökosystemforschung”  am IGB. | Foto: IGB/David Ausserhofer

Die Fragen stellte Kristina Simons.

Frau Prof. Adrian, wie sah und sieht Ihr Beitrag für den IPCC konkret aus?

So einen Bericht zu verfassen, ist ein jahrelanger Prozess, an dem ein großes internationales Autorenteam beteiligt ist. Beim kommenden IPCC-Sachstandsbericht bin ich zusammen mit weiteren Hauptautoren für das Kapitel „Terrestrial and freshwater ecosystems and their services verantwortlich. Wir tauschen uns regelmäßig über E-Mail aus und treffen uns im Januar 2019 das erste Mal persönlich. Drei weitere Treffen werden folgen. Ich sehe in dieser Arbeit einen Beitrag an Wissenschaft und Politik, den ich sehr gerne übernehme. Das gehört auch zu meiner Verantwortung als Forscherin. 

Wie gehen Sie und Ihre Mitautoren vor?

Wir bewerten die Auswirkungen der Klimaveränderungen auf Seen und die aquatische Biodiversität auf Basis der bereits vorhandenen begutachteten wissenschaftlichen Literatur. Aus der Vielzahl der Studien extrahieren wir wesentliche und mehr oder weniger allgemeingültige Auswirkungen des Klimawandels auf Seeökosysteme. Die Aussagen, die am Ende im IPCC-Bericht stehen, müssen sehr gut wissenschaftlich abgesichert sein.

Die Auswirkungen sind äußerst komplex und hängen stark von den jeweiligen individuellen Bedingungen ab, also der Größe und Tiefe eines Sees, der geographischen Lage und dessen Einzugsgebiet. Auch diese Bandbreite werden wir in dem Bericht thematisieren.

Wie machen sich Klimawandel und Erderwärmung bei Seen bemerkbar?

Steigende Lufttemperaturen führen dazu, dass sich die Wassertemperaturen erhöhen. Unsere Klimafolgestudien im IGB basieren auf der Langzeitforschung am Müggelsee und Seen weltweit. Wir haben Messreihen, die 40 bis 50 Jahre zurückreichen und es uns erlauben, Trends zu berechnen. So ist das Oberflächenwasser von Seen im Sommer seit den 1980er-Jahren im globalen Durchschnitt um 0,34 Grad Celsius pro Dekade wärmer geworden. Beim mit acht Metern recht flachen Müggelsee, wo das IGB eine Forschungs- und Messstation betreibt, lag der Temperaturanstieg sogar bei 0,5 Grad Celsius pro Dekade. Das heißt, er ist innerhalb der letzten 40 Jahre bereits um 2 Grad Celsius wärmer geworden. Darüber hinaus sind Ökosysteme zunehmend Extremereignissen wie Hitze oder Stürmen ausgesetzt; letztere gehen oft mit starken Niederschlägen einher. All das beeinflusst ebenfalls die thermische Struktur und die Nährstoffdynamik eines Sees.

Welche Auswirkungen hat der Temperaturanstieg auf Seen?

Die Auswirkungen sind sehr vielfältig, hier nur zwei Beispiele: Der Erwärmungstrend hat eine Verlängerung der sommerlichen stabilen thermischen Schichtung von Seen zur Folge. Der obere warme Wasserkörper wird durch die sogenannte Sprungschicht vom unteren kalten Wasserkörper getrennt. Diese sorgt unter anderem dafür, dass große Teile des Tiefenwassers sauerstofffrei werden. Ein Hitzesommer wie 2018 verlängert und verstärkt die Dauer der thermischen Schichtung und führt darüber hinaus zu extrem hohen Wassertemperaturen und damit sinkendem Sauerstoffgehalt im oberen Bereich. Fische, die aus dem sauerstofffreien kalten Tiefenwasser nach oben ziehen, sind hier hohen Wassertemperaturen und zu geringen Sauerstoffkonzentrationen ausgesetzt. Dies kann zu massenhaftem Fischsterben führen – wie wir es im letzten Sommer beobachten mussten.

Eine weitere Folge betrifft die Eisbildung. Für den Müggelsee haben Modelberechnungen ergeben, dass Ende dieses Jahrhunderts die Jahre ohne Eis von aktuell 2 auf 60 Prozent zunehmen werden. Das entspricht einer geografischen Verschiebung des Müggelsees um etwa 800 Kilometer nach Süden, also nach Norditalien.

Hat das veränderte Schichtungsverhalten noch weitere Folgen?

Durch eine verlängerte thermische Schichtung und sauerstofffreie Bedingungen im Tiefenwasser werden Nährstoffe wie Phosphat freigesetzt, die zuvor im Sediment gebundenen waren. Wir sprechen dabei von einer klimainduzierten internen Düngung (Eutrophierung) von Seen, durch die sich verstärkt Cyanophyceenblüten entwickeln können. Um das zu kompensieren und den Status Quo der Eutrophierung zu halten, müssten 10 bis 20 Prozent weniger externe Nährstoffe in die Seen gelangen.

Das Interview ist im > Verbundjournal 111/2018 des Forschungsverbunds Berlin e.V. erschienen.

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