
Das Flusspferd (Hippopotamus amphibius) ist eine der 132 untersuchten imposanten Süßwassertierarten, die das Potenzial zum Flaggschiff haben. | Foto: Pixabay
Weltweit ist etwa ein Drittel aller Tierarten gefährdet. Öffentlich als schützenswert wahrgenommen werden jedoch vor allem die imposanten, großen Land- und Meerestiere wie Pandas, Elefanten, Eisbären oder Wale. Dabei schreitet der Rückgang der im Süßwasser lebenden Tiere schneller voran, als der ihrer allseits bekannten Pendants an Land und im Meer.
Kartierung der Flaggschiff-Tierarten
Für ihre Untersuchung wählten IGB-Forscherin Dr. Sonja Jähnig, Co-Autorin der Studie, und ihr Team internationaler WissenschaftlerInnen exemplarisch 132 „imposante“, große Süßwassertierarten aus, die im ausgewachsenen Alter mindestens 30 Kilogramm wiegen.
„Flusspferde, Flussdelfine, Krokodile und Süßwasserschildkröten oder große Fischarten wie Störe und Lachse haben das Potenzial, das öffentliche, wissenschaftliche und vor allem politische Bewusstsein für den Artenverlust und die damit einhergehenden Probleme in Binnengewässern zu schärfen“, fasst Sonja Jähnig die Blickrichtung der Studie zusammen.
Die Vorkommen der ausgewählten Tierarten haben die WissenschaftlerInnen kartiert. Die Karten zeigen, dass 83 Prozent aller gefährdeten Süßwassertierarten der Welt in den gleichen Gebieten vorkommen, wie die untersuchten großen Süßwassertierarten – allesamt potenzielle Botschafter für ihr Ökosystem. Wenn es also gelingt, effiziente Schutzmaßnahmen für diese Flaggschiff-Tierarten zu identifizieren, können gleichzeitig die Lebensräume für viele andere, kleinere Arten erhalten werden.
Schützlinge ohne Schutzgebiete
Die Ausbeutung durch den Menschen gefährdet die großen Süßwassertierarten stark: 94 Prozent der untersuchten Tierarten leiden unter Übernutzung, werden also beispielsweise durch Jagd und Fischerei schneller dezimiert als sich die Bestände erholen können. 65 Prozent werden durch Eingriffe in ihre Lebensräume bedroht, meist durch den Bau von Staudämmen, und 54 Prozent leiden unter Verunreinigungen durch landwirtschaftliche, industrielle oder häusliche Abwässer.
Dennoch liegen 84 Prozent der Verbreitungsgebiete der 132 untersuchten Tierarten außerhalb von Schutzgebieten. Dass viele dieser großen Arten in großen Flüssen, Seen und Feuchtgebieten leben, erschwert die Schutzbemühungen, erklärt Dr. William Darwall, Leiter der Abteilung Süßwasserbiodiversität bei der IUCN und Teil des Teams: „Süßwasserökosysteme sind stark miteinander vernetzt: ihre Bewohner und deren Bedrohungen können lange Strecken zurücklegen, oft über Schutzgebietsgrenzen hinaus.“
Um diese Tierarten – und mit ihnen ganze Ökosysteme – zu schützen, müssen lokale Schutzzonen, etwa für Laich- und Brutplätze, und großräumige Maßnahmen im gesamten Einzugsgebiet der Flüsse und Seen, die zum Beispiel die Wanderrouten der Tiere berücksichtigen, kombiniert werden. Und vor allem muss die Ausbeutung dieser Tiere und die Übernutzung ihrer Lebensräume eingedämmt werden.
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Savrina F. Carrizo, Sonja C. Jähnig, Vanessa Bremerich, Jörg Freyhof, Ian Harrison, Fengzhi He, Simone D. Langhans, Klement Tockner, Christiane Zarfl, William Darwall (2017) Freshwater Megafauna: Flagships for Freshwater Biodiversity under Threat. BioScience, Volume 67, Issue 10, 1 October 2017, Pages 919–927. doi.org/10.1093/biosci/bix099

Als einer der größten Süßwasserfische der Welt ist der südamerikanische Arapaima oder Pirarucu (Arapaima gigas) einer der eindrucksvollsten Kandidaten für die Besetzung der Rolle eines "Süßwasser-Pandas". | Foto: David Ausserhofer / IGB

Ein Europäischer Stör. Störe sind unsere größten einheimischen Süßwasserfische. Sie können bis zu 150 Jahre alt und über fünf Meter lang werden. Ihre Kinderstube liegt in den großen Flüssen, die sie verlassen, wenn sie ins Meer abwandern. | Foto: Solvin Zankl

Zu den stark bedrohten Tierarten gehört auch Jangtse-Glattschweinswal (hier im Poyang-See in China). Beifänge in der Fischerei, Kollisionen mit Bootsverkehr, Verschmutzung und der Verlust von Lebensräumen lassen die Bestände kontinuierlich schrumpfen. | Foto: Huigong Yu