Blitzlicht
Johannes Graupner

Europäische Energiepolitik: Warum Wasserkraft nicht priorisiert werden sollte

IGB gibt Feedback zum Call for Evidence der EU-Kommission
Glücklicherweise hat Klimaschutz heute eine hohe gesellschaftliche und politische Priorität. Der Umstieg auf klimafreundliche Energieträger ist auch aus ökologischer Sicht dringend notwendig. Dennoch muss besonders darauf geachtet werden, dass Maßnahmen zur Beschleunigung der Genehmigungsverfahren für erneuerbare Energien nicht gegen zentrale europäische oder nationale Umweltstandards verstoßen. Dies gilt insbesondere für Wasserkraft, da es sich zwar um eine erneuerbare Ressource handelt, die aber in den meisten Fällen nicht umweltfreundlich ist. Dies ist eine der Kernaussagen von IGB-Forschenden, die ihre wissenschaftliche Einschätzung in einem Call for Evidence der Europäischen Kommission zur Energiepolitik eingebracht haben.

Wasserkraftprojekte haben große Auswirkungen auf Süßwasserökosysteme. | Foto: Angelina Tittmann

Nach Ansicht der IGB-Forschenden sollten Wasserkraftprojekte durch die vorgeschlagene Initiative weder priorisiert noch beschleunigt werden – und ihre Genehmigungsverfahren sollten aufgrund der negativen Umweltauswirkungen besonders präzise sein und den Regeln für Umweltverträglichkeitsprüfungen genau folgen. Andernfalls würde die Europäische Kommission ihre eigenen Klima- und Umweltziele sowie die für die europäische Bevölkerung sehr wertvollen Wasserressourcen gefährden. Die Wissenschaftler*innen betonen, dass das Vorsorgeprinzip eine zentrale und große Rolle spielt, denn sobald eine Wasserkraftanlage errichtet ist, können wertvolle Lebensräume und Populationen seltener Arten schnell für immer verschwinden. Dies kann bereits in der Bauphase geschehen – ein vorzeitiger Baubeginn ohne endgültige behördliche Genehmigung sollte daher auf keinen Fall zugelassen werden.

Anstelle der Genehmigungsbeschleunigung sollte die Stilllegung und der Rückbau von Kleinwasserkraftwerken gefördert werden, empfehlen die Forschenden. Dieser Ansatz vereinfacht die Umsetzung von Renaturierungsmaßnahmen grundlegend, auch weil dadurch eine großräumige Renaturierung zur Wiederherstellung von 25.000 km frei fließenden Flüssen, wie sie in der EU-Biodiversitätsstrategie bis 2030 ausdrücklich vorgesehen ist, möglich wird.

Auf diese Weise könnten wichtige Ökosystemleistungen der Gewässer für Umwelt und Gesellschaft wiederhergestellt werden, wie z.B. natürlicher Klimaschutz einschließlich Hochwasserschutz, stabiler Landschaftswasserhaushalt, Selbstreinigung, Kühlungseffekt und wasserbezogene Naherholung. Dies ist angesichts der zu erwartenden Folgen des Klimawandels besonders wichtig und stärkt die natürliche Widerstandsfähigkeit der Gewässer, so die Forschenden.

Das vollständige IGB-Feedback (auf Englisch) kann direkt von der Website der Europäischen Kommission heruntergeladen werden.

Ansprechpersonen

Sonja Jähnig

Abteilungsleiter*in
Forschungsgruppe
Aquatische Ökogeographie

Martin Pusch

Programmbereichssprecher*in
Forschungsgruppe
Funktionelle Ökologie und Management von Flüssen und Seeufern

Christian Wolter

Forschungsgruppenleiter*in
Forschungsgruppe
Fließgewässerrevitalisierung
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