Blitzlicht
Nadja Neumann

Die öko-evolutionäre Dynamik in städtischen Systemen

Die Urbanisierung ist ein komplexer Prozess, der die Ökologie und  die Evolution von Arten stark beeinflusst. In zwei Studien entwickelte ein internationales Teams mit Professor Luc De Meester ein Rahmenkonzept, um die Urbanisierung als Modellsystem zur Untersuchung von öko-evolutionären Prozessen zu nutzen. Dabei ist es wichtig, soziale Treiber und Feedbacks des Menschen zu integrieren, um Ökosysteme, ihre Funktionen und ihre ökosystemaren Leistungen innerhalb und außerhalb der Städte besser zu verstehen.

Typische „Stadtkinder": Für den Wasserfloh Daphnia hat sich gezeigt, dass sich die urbanen Populationen an die höheren Temperaturen im Zusammenhang mit dem städtischen Wärmeinseleffekt und an Streusalz anpassen können. I Foto: shutterstock

Urbanisierungsprozesse beeinflussen das Wirkungsgefüge zwischen Ökologie und Evolution, indem sie sowohl die Akteure als auch die Bühne verändern, auf der das öko-evolutionäre Spiel stattfindet.

Die Forschenden identifizierten fünf zentrale urbane Triebkräfte des öko-evolutionären Wandels: Änderung des Lebensraums, Veränderungen in der Konnektivität, Veränderungen in Muster und Ausmaß der Umweltheterogenität, neuartige Stressoren und veränderte biotische Interaktionen; Und sie definierten die wichtigsten direkten Folgen der durch die Urbanisierung ausgelösten öko-evolutionären Veränderungen für die Beiträge der Natur zum Menschen. In der Folge untersuchten sie fünf neu entstehende Komplexitäten, die in Zukunft noch wissenschaftlich untersucht werden sollten: landschaftliche Komplexität, städtische Diskontinuität, sozio-ökologische Heterogenität, skalenübergreifende Interaktionen sowie zeitverzögerte Prozesse. „Wir müssen die durch die Urbanisierung verursachten evolutionären Veränderungen und ihrer Rückwirkungen auf die Ökologie verstehen und monitoren, um Nachhaltigkeitsstrategien zu entwickeln", betont Luc De Meester.

Sozio-ökologische Gradienten sind in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen. So hängt es beispielsweise oft vom sozialen Status der städtischen Gebiete ab, ob Grünkorridore vorhanden sind und wie groß sie ausfallen. Dies impliziert, dass die ökologischen und evolutionären Verläufe auch von der Geschichte der Städte abhängig sind. „Wann und wie sich Städte entwickelt haben, ist in verschiedenen Regionen der Welt sehr unterschiedlich, was einen äußerst interessanten Rahmen für die Untersuchung städtischer Rückkopplungen zwischen Mensch, Ökologie und Evolution bietet", sagt Luc De Meester.  

Erkenntnisse über die städtische Evolutionsbiologie und die öko-evolutionäre Dynamik sind wichtig für die Optimierung sozio-ökologischer Entscheidungsfindungen, beispielsweise in Bezug auf das Management der biologischen Vielfalt und die Renaturierung sowie auf die menschliche Gesundheit. „Wie interessant wäre es, in der Lage zu sein, die Dynamik von Ökosystemen und Arten genau zu dokumentieren, wie sie sich in Gebieten entwickeln, in denen die Städte in voller Expansion begriffen sind, so dass wir die Rückkopplungen zwischen soziologischen, ökologischen und evolutionären Prozessen in Echtzeit bewerten können", so der Ausblick von Luc De Meester.

Die Artikel in Evolutionary Applications (Open Access) und BioScience lesen >

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