"Licht wirkt", sagt Sibylle Schroer, die das Netzwerk koordiniert, "auf Pflanzen und Tiere ebenso wie auf uns Menschen." Schon kleine Mengen künstlichen Lichts zur falschen Zeit können die innere Uhr aus dem Takt bringen, die Hormonausschüttung beeinträchtigen oder ganze Ökosysteme nachhaltig verändern. Räuber-Beute-Beziehungen geraten durcheinander und nachtaktive Arten verlieren zunehmend ihre Lebensräume. "Langfristig kann das die Biodiversität beeinträchtigen", erklärt die Wissenschaftlerin des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) Berlin.
Dennoch neigen wir gerade in der dunklen Jahreszeit dazu, unsere Städte intensiv zu beleuchten. Seit Jahren beobachten Wissenschaftler die zunehmende und weltweite Erhellung der Nacht.
Wie man Licht besser einsetzt, zeigen Forscher mit praktischen Handlungsempfehlungen, die jetzt veröffentlicht wurden:
- Kaltweißes bzw. blaues Licht mit Wellenlängen unterhalb von 500 Nanometern möglichst vermeiden: Der hohe Anteil kurzwelligen, blauen Lichts in kaltweißen LED und Energiesparlampen beeinträchtigt besonders den Tag- und Nachtrhythmus höherer Wirbeltiere sowie des Menschen. Chronische Verschiebungen dieses Rhythmus können den Schlaf, den Stoffwechsel und die Immunabwehr stören und damit zu schwerwiegenden Gesundheitsproblemen führen. Krankheiten wie unterdrückter Fettabbau, Diabetes oder Depressionen können die Folge sein. Außenbeleuchtung sollte deshalb eine Farbtemperatur von maximal 3000 Kelvin haben, empfehlen die Forscher.
- Lampenschirme verwenden, die das Licht dahin lenken, wo es gebraucht wird: Geeignete Lampenschirme verhindern, dass Licht in die Augen von Fußgängern, in Fenster oder in den Himmel strahlt, wo es sich schnell ausbreitet und großflächig ganze Nachtlandschaften erhellt. „Licht sollte grundsätzlich nach unten leuchten, auch Fassadenbeleuchtung sollte immer von oben nach unten gerichtet sein“, rät Sibylle Schroer. Vermieden werden sollten vor allem in den Boden eingelassene Spots, die das Licht nach oben abstrahlen.
- Straßen mit möglichst geringer Intensität beleuchten: Landstraßen sollten nicht stärker als mit einer Leuchtdichte von 0,3 Candela pro Quadratmeter beleuchtet werden, was in etwa 4 Lux entspricht. Dieser Wert ist angelehnt an die niedrigste Klasse der EU-Norm für Straßenbeleuchtung (EN13201). „EU-Normen empfehlen viel hellere Werte als sie momentan in den meisten Gemeinden umgesetzt sind“, berichtet Sibylle Schroer. Eine europaweite Einhaltung der Normen könne somit zu einem drastisch höheren Energieverbrauch und CO2 -Ausstoß in der Straßenbeleuchtung führen. Die Forscher weisen darauf hin, dass niedrigere Beleuchtungswerte keinesfalls die Sicherheit einschränken und fordern deshalb eine Überprüfung und Absenkung der Werte.
- Außenbeleuchtung den Nutzungszeiten anpassen: Nach 22:00 Uhr oder nach Mitternacht wird Straßenbeleuchtung mit viel geringerer Intensität benötigt und kann gedimmt werden. Die Beleuchtung könnte um 50 bis 80 Prozent gesenkt werden, wenn neben Straßenlaternen nachts auch private Leuchten oder Werbedisplays ausgeschaltet werden würden. „Haus- und Ladenbesitzer sollten ihre Beleuchtung möglichst komplett ausschalten, wenn kein unmittelbarer Bedarf mehr gegeben ist“, empfiehlt Sibylle Schroer.
Diese und weitere Empfehlungen können am Ende dieser Seite als Flyer für Bürgerinnen und Bürger sowie für Schutzgebiete heruntergeladen werden.
Die Leitlinien sind die Ergebnisse einer vierjährigen interdisziplinären Zusammenarbeit des Netzwerkes „Verlust der Nacht“, in dem 67 wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus 16 unterschiedlichen Fachdisziplinen und 18 Ländern zusammenarbeiten. Gefördert wird das Netzwerk durch die Europäische Kooperation für Wissenschaft und Technik (EU-COST Aktion ES1204, 2012 – 2016). Nach der Förderphase wird das Netzwerk als externer Partner in der Europäischen Bewusstseinsplattform für nachhaltige und soziale Innovationen STARS4ALL fortgeführt.
Weitere Informationen unter www.cost-lonne.eu.