Einblick

Die Gewässerqualität von Seen aus der Ferne erkunden

Fernerkundungsexpert*innen am Seelabor
Neben den Limnologen haben sich zum diesjährigen Versuch am Seelabor auch eine Reihe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Spanien, Australien, England und den USA eingefunden, deren spezielles Interesse in der Fernerkundung liegt. Ihr Ziel ist es, basierend auf der Wasserfarbe, verlässliche Aussagen über die Qualität von Gewässern machen. Dafür nutzen sie Messungen, die von Satelliten, Flugzeugen oder Drohnen gesammelt wurden und interpretieren sie mit Hilfe von Computermodellen.

Foto: Martina Bauchrowitz

"Für uns ist es ein Glücksfall, dass wir hier beim diesjährigen Seelaborversuch mitarbeiten können", sagt Carmen Castro Cillero und ergänzt: "Hier können wir auf engem Raum 25 Wasserkörper mit unterschiedlicher Wasserqualität untersuchen und zudem auf alle Messdaten zugreifen, die während des Versuchs aufgenommen werden." Mit den 25 Wasserkörpern meint die spanische Fernerkundungsexpertin den Stechlinsee plus die Versuchszylinder des Seelabors, quasi 24 Seen-im-See. Sie und ihr Kollege Federico Cheda charakterisieren die verschiedenen Gewässer von oben mit einer Drohne (siehe Foto oben), was besonders vorteilhaft ist, wenn Wolken die Datenerfassung von Satelliten verhindern. Ihre Drohne ist mit 3 verschiedenen multispektralen und hyperspektralen Sensoren bestückt und ermöglicht es ihnen beispielsweise, schädliche Algenblüten in Trinkwasserspeichern frühzeitig zu erkennen und zu quantifizieren.

Bei der Fernerkundung geht es unter anderem darum, anhand der Wasserfarbe auf die Gewässerqualität rückzuschließen. Wasser ohne Inhaltsstoffe erscheint uns blau – hauptsächlich weil das kurzwellige blaue Licht, im Gegensatz zum langwelligen roten, weniger stark von den Wassermolekülen absorbiert wird. Doch je nachdem, welche gelösten und partikulären Stoffe sowie Organismen im Gewässer vorhanden sind, verändert sich die Wasserfarbe. Insbesondere wird sie durch die in der Wassersäule schwebenden Algen, dem so genannte Phytoplankton, beeinflusst. Diese Organismen enthalten Pigmente, die sie bei der Photosynthese brauchen, allen voran Chlorophyll a, das sie grün erscheinen lässt.

Spezifisch für diesen Zweck entwickelte Lichtsensoren, sogenannte Spektrometer, sind Bestandteil diverser Satelliten und erlauben es das Signal dieser Pigmente in Seen wahrzunehmen. Anhand dieser Daten und mithilfe bio-physikalischer Modelle können dann Rückschlüsse auf die Menge der im See vorhandenen Algenbiomasse gezogen werden. "Allerdings ist unklar, bis zu welcher Tiefe die Sensoren die Pigmente 'sehen'", sagt die australische Wissenschaftlerin Janet Anstee. Sind sie in der Lage, bis hinunter zum Chlorophyllmaximum, also dem Maximum der Algenbiomasse, zu messen? Deshalb sei es wichtig, die Modelle mit realen, direkt in Gewässern aufgenommenen Messwerten aus den relevanten Wassertiefen abzugleichen. Nur so wäre es möglich, verlässliche Aussagen zur Gewässerqualität von Seen mittels Fernerkundung zu machen, ohne die Gewässer selbst jemals beprobt zu haben, einfach durch die Wasserfarbe.

Klaus Joehnk, der gemeinsam mit Janet Anstee aus Australien angereist ist, interessiert sich darüber hinaus für Blaualgen (wissenschaftlich korrekt Cyanobakterien) und dafür, ob sich ihr Wachstum verändert, wenn Seen durchmischt werden. Vermehren sie sich beispielsweise massenhaft nach einem Sturmereignis in Seen, deren Wasser als Trinkwasser dient, kann dies gefährliche Auswirkungen auf die Trinkwassernutzer haben. Dies deshalb, weil darunter auch Blaualgenarten sein können, die Toxine ausbilden. Blaualgen verändern die Wasserfarbe hin zum Blaugrünen. Auch sie können anhand eines Pigments nachgewiesen werden, das sie in der Photosynthese brauchen. Dabei handelt es sich um das so genannte Phycocyanin. "Leider jedoch fehlt den Satelliten, die derzeit Bilder von der Erde aus dem All liefern, der Wellenlängenbereich im Sensor, mit dem das blaugrüne Phycocyanin gemessen werden kann", sagt Klaus Joehnk. Zurzeit gebe es solche so genannten hyperspektralen Sensoren vorwiegend als Hand- oder Unterwassergeräte. Im Seelabor verwenden Joehnk und Anstee eine Reihe von Instrumenten, um das Unterwasserlichtklima in verschiedenen Tiefen zu messen.

Doch nicht nur das im See vorhandene Phytoplankton beeinflusst die Wasserfarbe. Aufgrund der großen Entfernung messen Satelliten vor allem das Licht, das sich zwischen dem Satelliten und der Wasseroberfläche befindet. Das macht bis zu 98 % des Signals aus. Hinzu kommen die Reflektionen der Sonne und des Himmels auf der Wasseroberfläche. "All diese Störfaktoren muss man abziehen, um zur eigentlichen Farbe des Wassers zu kommen", sagt Philipp Grötsch vom City College New York. Deshalb habe er einen Algorithmus entwickelt, mit dem die Reflektionen herausgerechnet werden können. Weil diese aber auch von den Lichtbedingungen (klar, bewölkt) abhängen, möchte Grötsch Messdaten in seinen Algorithmus einfließen lassen, die das direkt von der Sonne kommende Licht vom diffusen Licht des Himmels und der Wolken unterscheidet. Aus diesem Grund hat Grötsch die Zusammenarbeit mit John Wood gesucht. Der englische Ingenieur hat ein Instrument entwickelt, das diese beiden Lichtanteile separat misst. Gemeinsam setzen Grötsch und Wood es nun auch am Seelabor ein.

Der so genannte diffuse Attenuationskoeffizient Kd ist einen weiteren Faktor, der in die Fernerkundungsmodelle eingeht. Er ist ein Maß für die Transparenz eines Gewässers und beschreibt, wie stark das Licht mit der Wassertiefe abgeschwächt wird. «Hier am Seelabor messen wir Kd mit dem KdUinoPro, unserem selbstkonstruierten Gerät. Es besteht aus wasserdichten Boxen, in die wir Lichtsensoren eingebaut haben», erklären Raul Benach Bardaji und Carlos Garcia Rodero. Weil die Transparenz des Wassers in unterschiedlichen Tiefen aber variieren kann – z.B. weil sich manche Phytoplankter im tieferen Wasser einschichten – haben die beiden spanischen Forscher ihre Messboxen alle 50 cm an einer Leine befestigt und messen den diffusen Attenuationskoeffizient Kd somit in der gesamten Wassersäule. Ihr Instrumentendesign ist online frei verfügbar und wurde in Bildungs- und bürgerwissenschaftliche Programme auf der ganzen Welt integriert.

Es sind diese unterschiedlichen Fragestellungen und Arbeitsansätze, die die Experten der Fernerkundung am Seelabor zusammen gebracht haben. "Der direkte Austausch mit meinen Fachkollegen war für mich ein wichtiger Grund, an den Stechlinsee zu kommen", sagt Philipp Grötsch. Dem stimmen auch die anderen Fernerkunder zu: Es sei eine ausgesprochen produktive Zeit für sie, ihre Messdaten und Erfahrungen hier in entspannter Atmosphäre miteinander diskutieren und gemeinsam weitere Ideen entwickeln zu können.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler

Die Umweltingenieure Dr. Carmen Castro Cillero und Federico Cheda kommen von 3edata aus dem nordspanischen Lugo – einer Firma im Bereich Fernerkundung, die von Carmen Castro Cillero gemeinsam mit zwei Kollegen als Spin-off der Universität Santiago de Compostela gegründet wurde.

Dr. Janet Anstee und Dr. Klaus Joehnk sind als Gruppenleiter bei der staatlichen Commonwealth Organisation für wissenschaftliche und industrielle Forschung – CSIRO (Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation) in Canberra, Australien tätig.

Der Ingenieur Raul Benach Bardaji und der Doktorand Carlos Garcia Rodero arbeiten gemeinsam am Meereswissenschaftlichen Institut des Obersten Rats für Wissenschaftliche Forschung – CSIC (Consejo Superior de Investigaciones Científicas) in Barcelona, Spanien.

Nach seiner Doktorarbeit im Bereich Fernerkundung ist der Physiker Dr. Philipp Grötsch seit Anfang 2019 als Postdoktorand am City College in New York tätig. John Wood ist Ingenieur und Gerätekonstrukteur mit Schwerpunkt Sonneneinstrahlung und leitet seine eigene Firma, Peak Design Ltd., in Winster/Derbyshire, England.

Der Aufenthalt der Forschenden am Seelabor wird finanziert durch das am IGB geführte EU-Projekt AQUACOSM, dem Netzwerk führender europäischer AQUAtischer MesoCOSMen Anlagen.

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