Pressemitteilung

21. Mai 2016: World Fish Migration Day

Der millionste Stör wird in die Oder entlassen
Wanderfische wie Lachs, Aal und Stör wandern oft tausende von gefahrvollen Kilometern im Meer oder zwischen Salz- und Süßwasser hin und her. Der „World Fish Migration Day“ (WFMD) am 21. Mai soll auf die Probleme von Fischen auf ihren Wanderungen aufmerksam machen. Zu diesem Anlass laden das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB), der Nationalpark Unteres Odertal, die Gesellschaft zur Rettung des Störs e.V., der NABU Naturschutzbund Deutschland e.V. und die Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern mit Unterstützung des Deutschen Angelfischerverbandes zu einem Symposium zu Wanderfischen und ihren Lebensräumen ein. Dabei wird der millionste Stör in die Oder entlassen, Besucher können „Störpaten“ werden.

Der Besatz von Jungstören in ihren ursprünglichen Lebensraum. | Foto: Andrea Schmidt

Im Fokus der Veranstaltung stehen die aktuellen Ausbaupläne der Oder. An der Oder liegt Deutschlands einziger und Polens größter Auen-Nationalpark. Viele Bereiche im Odereinzugsgebiet werden durch Schutzgebietsverordnungen vor Eingriffen weitgehend bewahrt, um sie als möglichst unveränderten Naturraum zu erhalten und das darin lebende einzigartige Artenaufkommen zu sichern.

Dr. Jörn Gessner vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) sieht die Ausbaupläne der Oder kritisch. Der Wissenschaftler koordiniert am IGB das Projekt zur Wiederansiedlung des  Baltischen Störs (Acipenser oxyrinchus). Der Stör war einst in der Oder und den Nebenflüssen heimisch. Dort, in Gewässerabschnitten mit Kies- oder Steinboden, befinden sich seine ursprünglichen Laichgründe und damit auch die Kinderstube des Stör-Nachwuchses. „Das gesamte  Entwicklungskonzept und die vielfältigen Maßnahmen zur Erhaltung und zum Aufbau funktionaler Wanderfischgemeinschaften des Lachses, der Meerforelle, des Schnäpels, des Aals oder des Störes werden durch diese Prozesse erschwert, wenn nicht sogar rückgängig gemacht“, so Jörn Gessner. Ende der 1960er Jahre wurde in der Oder der letzte Baltische Stör gefangen. Fischerei, Gewässerverschmutzung und die Verbauung der Flüsse hatten die einst reichen Bestände ausgelöscht. Seit 1994 versucht das Team aus Fischereibiologen des IGB und Naturschützern der Gesellschaft zur Rettung des Störs (GRS) den wohl ursprünglichsten aller Knochenfische mit viel Aufwand zurückzubringen. Freisetzungen von Jungfischen, die seit 2006 durchgeführt werden, sollen langfristig den Grundstock einer neuen, sich selbst erhaltenden Population in Deutschland bilden. Jörn Gessner ist schon gespannt: „Am 21. Mai ist es soweit; wir freuen uns sehr, den millionsten kleinen Stör in der Oder aussetzen zu können, immer in der Hoffnung, dass die Lebensbedingungen, die er dort antrifft, sich verbessern werden“.

Zur Veranstaltung

Am Nachmittag findet ein Besatz mit Ostseestören im Nationalpark Unteres Odertal statt: Genau am WMFD wird der millionste Stör in die Oder im Nationalpark Unteres Odertal in die Freiheit entlassen.

An diesem Tag gibt es zudem die Gelegenheit für Besucher,  eine Störpatenschaft zu übernehmen. Jeder, der etwas zur Wiederansiedlung des Fisches beitragen möchte, kann eine Patenschaft für 10 Euro übernehmen und sein Patenkind gleich selbst in die Oder setzen. Das Geld fließt in das Wiederansiedlungsprojekt. Jeder Störpate bekommt eine Urkunde mit Markennummer „seines“ Störes. Sollte der Stör auf seiner Wanderschaft einem Fischer ins Netz gehen, erhält der Störpate Auskunft über Zeit und Ort. So kann er genau den Weg seines Patenkindes verfolgen. Die Fischer sind übrigens verpflichtet, den geschützten Stör anschließend wieder freizulassen. Es kann also passieren, dass der Pate mehrfach Nachrichten von seinem Schützling bekommt. Wiederfänge ausgesetzter Störe wurden bislang an vielen Orten erfasst, so unter anderem im Oslofjord, im Bottnischen Meerbusen, vor dem norwegischen Bergen und sogar vor der Mündung der Loire.

Hintergrundinformation zum geplanten Ausbau der Oder

Die Oder ist in Deutschland als Nebenwasserstraße des Bundes klassifiziert, spielt also für die Verkehrsinfrastruktur nur eine sehr untergeordnete Rolle. Aktuell steht jedoch erneut die Verbesserung der Schiffbarkeit zur  Diskussion. Polen und Deutschland unterzeichneten 2015 einen Staatsvertrag zum Ausbau der Grenzoder für die Sicherung von Eisbrecher-Einsätzen, der eine Vertiefung der Flusssohle um bis zu 40 Zentimeter vorsieht. Dies bedeutet, dass der an vielen Stellen naturnahe Fluss auf einer Länge von mehr als 150 Kilometern um etwa 25 bis 30 Prozent vertieft werden soll. Dieser Eingriff hätte zur Folge, dass wichtige ökologische Funktionsräume wie Kolke Sand- und Kiesbänke verschwinden. Dieser Staatsvertrag fällt zusammen mit der Ankündigung weiterer Ausbaupläne der Oder unter anderem durch den Bau neuer Stauhaltungen in Polen. Weitere Einschränkungen für Fauna und Flora könnten aktuell aus der geplanten „Ertüchtigung und Verbesserung des hydrologischen Regimes im polnischen Zwischenoderland“ folgen, die „in ihrem Umfang und ihren Folgen bislang noch nicht abzuschätzen sind“, so Dr. Michael Tautenhahn, Stellvertretender Leiter des  Nationalparks Unteres Odertal.

Veranstaltungsort

Besatz mit Stören: Nationalpark Unteres Odertal, Park 2, 16303 Schwedt/Oder, OT Criewen

Ansprechpersonen

Jörn Gessner

Forschungsgruppenleiter*in
Forschungsgruppe
Wiedereinbürgerung atlantischer Störe in Deutschland