Blitzlicht
Nadja Neumann

Wenn ein Fluss rückwärts fließt

Eine Möglichkeit, Rückströmungen künftig leichter zu untersuchen
Die Spree fließt stellenweise rückwärts. Dann kann Wasser aus der Erpe, das anteilig Klarwasser aus dem Klärwerk Münchehofe enthält, in umgekehrter Richtung über die Spree in den Müggelsee fließen. Solche Umkehrungen der Fließrichtung, die aufgrund des Braunkohleausstiegs, des Klimawandels und veränderter Niederschlagsverteilung über das Jahr in Zukunft häufiger auftreten dürften, stellen die Wasserwirtschaft vor Herausforderungen. Forscherinnen und Forscher des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und der Berliner Wasserbetriebe (BWB) haben deshalb untersucht, ob man anhand der elektrischen Leitfähigkeit die Dynamiken der Rückströmungen und den daraus resultierenden Transport organischer Spurenstoffe flussaufwärts in der Spree auf verhältnismäßig einfache Weise zeitlich hochaufgelöst untersuchen kann.

Beispielfoto von der Spree; Ein Fluss, der immer wieder rückwärts fließt. | Foto: Morgengry auf pixabay

Die elektrische Leitfähigkeitsmessung beruht darauf, dass gelöste Ionen in einer Flüssigkeit elektrische Ladungen tragen und den Stromfluss erhöhen. Die Methode wird beispielsweise in der Gewässerforschung eingesetzt, um den natürlichen oder durch menschliche Einleitungen verursachten Salzgehalt von Wasser zu bestimmen. Das Forschungsteam testete diese Bestimmungsmethode in einer Feldstudie an der Spree zwischen Müggelsee und Erpe-Zufluss, um die dort auftretenden Dynamiken der Rückströmungen und die Auswirkungen auf die chemische Wasserqualität zu untersuchen. 

Wasser aus der Erpe fließt in die oberen Abschnitte der Spree

Die Ergebnisse bestätigen, dass im betreffenden Abschnitt das Wasser der Spree in den Sommermonaten rückwärts fließt und so Wasser aus der Erpe in obere Abschnitte der Spree gelangen kann. 

Das Problem: Die Erpe besteht zu 60 bis 80 Prozent aus gereinigtem Abwasser, sogenanntem Klarwasser, das organische Spurenstoffe enthält. Das sind vom Menschen hergestellte, chemische Verbindungen sehr geringer Konzentration und beispielsweise in Medikamenten, Reinigungsmitteln, Pestiziden, Farben und Lacken enthalten. Bestimmte Spurenstoffe können potenziell negative Auswirkungen auf Ökosysteme oder die menschliche Gesundheit haben. Viele dieser Substanzen sind langlebig in der Umwelt und können in konventionellen Kläranlagen nicht oder nicht vollständig entfernt werden.

Dass die Spree in diesem Bereich vor allem in niederschlagsarmen und heißen Sommermonaten stagniert oder sogar rückwärts fließt, ist nicht neu. Und auch die Ursachen sind bekannt: geringer Zufluss der Spree aus dem Einzugsgebiet die Uferfiltration zur Trinkwassergewinnung und die hohe Verdunstung über den Müggelsee und die permanente Einleitung von Klarwasser. Mit dem Ende des Bergbaus in der Lausitz, wodurch weniger Sümpfungswasser in die Spree gelangt, dürfte die jährliche Anzahl der Tage, an denen die Spree rückwärts fließt, weiter zunehmen: Der Wasseraktionsplan des Berliner Senats geht bis 2050 von einer Zunahme von 64 im Jahr 2019 auf 117 Tage pro Jahr aus. 

 „Unsere Fallstudie an der Spree zeigt, dass die Wechselwirkungen zwischen Wassermenge und Wasserqualität während der Rückströmungen komplex und zeitlich sehr variabel sind. Daher ist es ein erster Erfolg, nun eine relativ einfache Methode zur Hand zu haben, die Veränderungen zeitlich hochaufgelöst abbilden kann“, sagt IGB-Doktorand Christoph Reith, Erstautor der Studie.

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