Frau Dr. Costea, seit wann beschäftigen Sie sich wissenschaftlich mit der Donau, und: Haben Sie eine persönliche Beziehung zu diesem Fluss, oder hat es sich einfach ergeben?
Beides! Ich bin aquatische Ökologin und habe lange in Rumänien in einem Naturkundemuseum in Galați gearbeitet, das direkt an der Donau liegt. Diese Stadt im Südosten Rumäniens liegt etwa 100 Kilometer vom Donau-Delta entfernt. Bei Galați mündet auch der letzte Donau-Zufluss Pruth, der die Grenze zwischen Rumänien und Moldawien bildet und dort auf 300 Kilometern Länge noch frei in seinen Auen mäandrieren kann. Dorthin habe ich als Kuratorin des Naturkundemuseums in Galați regelmäßig Exkursionen mit Schülergruppen gemacht, wo diese dann mit Begeisterung die vielfältige Fauna der Pruth-Auen entdeckten und wortwörtlich unter die Lupe nahmen. Ich habe diese Landschaft immer gemocht!
Spielte die Donau auch eine Rolle, als Sie an das IGB kamen?
Gewissermaßen ja. Nach 16 Jahren im Museum war es Zeit für einen Wechsel, und so bewarb ich mich auf eine Stelle als Postdoktorandin am IGB, die mich sehr interessierte. Im Projekt RESI (River Ecosystem Service Index) entwickelten wir einen Index zur Bewertung der vielfältigen Ökosystemleistungen, die Gewässer für uns erbringen. Dieser RESI-Index wird inzwischen vielfach eingesetzt, um bei der Erarbeitung von Bewirtschaftungsplänen für einen Fluss einen Überblick über die vielen involvierten Nutzungsinteressen zu bekommen und Maßnahmen zu erarbeiten, durch die möglichst viele Ökosystemleistungen gefördert werden. Ein Beispiel ist die Erarbeitung zweier Szenarien zur Verbesserung des Hochwasserschutzes an der Donau in Bayern. Diesen Bewertungsansatz konnten wir dann im EU-Interreg-Projekt IDES gemeinsam mit internationalen Partnern auf die Gesamtlänge des Donaustroms ausweiten und somit eine Karte verfügbarer Ökosystemleistungen von der Quelle bis zur Mündung erstellen.
Was war die Idee dahinter?
Was war die Idee dahinter?
Der Klimawandel bringt mehr Überschwemmungen und Dürreperioden mit sich. Wir brauchen daher einen besseren Hochwasserschutz, indem man Flüssen mehr Platz einräumt, und mehr Wasserrückhalt in der Landschaft. Dies kollidiert jedoch oft mit den Interessen etwa der Landwirtschaft. Für ein integratives Wassermanagement müssen daher viele andere gesellschaftliche Sektoren berücksichtigt werden, zum Beispiel Landwirtschaft, Naturschutz, Schifffahrt, Tourismus. Gute Konzepte sind dabei der erste Schritt, um zu guten Lösungen zu gelangen: Man kann nicht direkt in die Umsetzung gehen, dafür sind zu viele Akteure, also verschiedene Interessengruppen beteiligt. Hinzu kommt, dass die Donau durch zahlreiche Länder fließt, mit unterschiedlichen Kulturen im Umgang mit der Umwelt, und verschiedenen sozio-ökonomischen Strukturen. Um Dinge tatsächlich zu verändern, um einen integrativen Ansatz im Umgang mit dem Fluss und seinen Auen zu ermöglichen, braucht es Kommunikation zwischen all diesen Akteuren! Hieran arbeiten wir derzeit in den EU-Horizon-Leuchtturmprojekten Danube4all und Restore4Life. In diesen liegt der Schwerpunkt weniger auf der wissenschaftlichen Arbeit, sondern darauf, Aktionspläne für die Donau zu entwickeln.
Was ist deren Ziel?
Aus wissenschaftlicher Sicht ist klar, dass wir naturbasierte Lösungen brauchen, um unsere Gewässer und Auen zu schützen und sie auch im Klimawandel weiterhin nutzen zu können. In der Gesellschaft verbreitet ist jedoch immer noch der Glaube an technische Lösungen, dass es etwa Hochwasserschutz am besten durch hohe Dämme garantiert wird. In Zeiten des Klimawandels mit seinen teils überraschenden Auswirkungen müssen wir jedoch flexibel, adaptiv und skalierbar agieren, und unsere Umwelt multifunktional bewirtschaften, also Mensch, Wirtschaft und Naturschutz zusammendenken. Etwa wenn es darum geht, mehr Platz für Flüsse durch die Renaturierung von Auen zu schaffen: Sie dienen den Menschen zur Erholung und haben einen touristischen Wert, wenn man etwa an die vielen erfolgreichen Radwanderwege entlang von Flüssen denkt. Zugleich halten Auen Schadstoffe zurück, kühlen im Sommer, da sie Wasser speichern, und sind Hotspots der Biodiversität. Wasser- und Landwirtschaft können allerdings traditionell mit aktiven Auen wenig anfangen. Daher ist Kommunikation mit vielen Akteuren erforderlich, um zeitgemäße multifunktionale Konzepte der Auenbewirtschaftung bekannt zu machen.
Wie läuft das konkret?
Wir erstellen im EU-Projektteam einen umfassenden, wissenschaftlich fundierten und praxisorientierten „Restoration Action Plan“ für die Donau, bei dem die Interessengruppen von Beginn an explizit als Ko-Kreateure einbezogen werden. So wollen wir auf die lokalen Verhältnisse maßgeschneiderte Renaturierungslösungen finden, die auch auf die Bedürfnisse der Bevölkerung vor Ort abgestimmt sind. Gemeinsam überlegen wir: Welche Lösungen kann man vor Ort umsetzen, die den aktuellen ökologischen Zustand sowie beispielsweise auch den Hochwasserschutz verbessern und gleichzeitig Möglichkeiten zum Aufbau lokaler nachhaltiger Geschäftsmodelle bieten? Zudem müssen die Menschen vor Ort von den damit für sie verbundenen Chancen überzeugt werden – und hier kommt die Kommunikation ins Spiel.
Mithilfe einer Puzzle-Wand dokumentieren Bürgerinnen und Bürger entlang der Donau ihre Ideen und Fragen. Daraus entsteht im nächsten Schritt eine Ausstellung. | © Costea/IGB
Wie gehen Sie da vor?
Dabei hilft mir meine Erfahrung in der Umweltbildung aus meiner Tätigkeit am Naturkundemuseum. Wir verfolgen einen Bottom-up-Ansatz, der die Durchführung von Renaturierungsprojekten erleichtert, wenn sie von Anwohnern positiv gesehen werden. Das heißt, wir erklären den Anwohnerinnen und Anwohnern im ersten Schritt, warum eine bestimmte Maßnahme – etwa die Renaturierung der Auen – nicht nur für die Donau, sondern auch für sie förderlich ist. Wenn sie sich dann über Ko-Kreation einbringen, können wir herausfinden, welches Wissen ihnen und uns noch fehlt, und wie man dieses am besten kommunizieren kann. Hierzu entwickeln wir derzeit unter anderem ein Konzept für eine Wanderausstellung über die Donau, was ebenfalls in Ko-Kreation mit den Zielgruppen an der oberen, mittleren und unteren Donau erfolgt, sowie zusammen mit Naturschutz- und Museumsfachleuten. Dabei verwenden wir ein Puzzle des Donaugebiets im Posterformat. Es dient uns dazu, mit Donau-Anwohnerinnen und -Anwohnern bei verschiedenen Veranstaltungen zu interagieren und ihre Ideen zur Gestaltung der geplanten Wanderausstellung zu sammeln: Was soll die Kernbotschaft der Ausstellung sein, welche wichtigen Fragen sollten dort angesprochen werden, und welche Visualisierungsmethoden wären dabei attraktiv?
Welche Erfahrungen haben Sie bei Ihren Aktionen bisher gemacht?
Bei dieser Ko-Kreationsarbeit mit dem Puzzle haben wir Unterschiede festgestellt zwischen westeuropäischen und osteuropäischen Zielgruppen hinsichtlich der Bereitschaft, sich mit Ideen einzubringen. In den östlichen Ländern sind vor allem Erwachsene es nicht gewohnt, um ihre Meinung gefragt zu werden und Ideen einzubringen. Dafür erreichen wir aber dort mehr Kinder und junge Leute als in westlichen Ländern.
Das Kinderbuch Lau lacht wieder ist bereits in deutscher Sprache erhältlich. Eine englische Übersetzung folgt Anfang 2025.
Gerade haben Sie gemeinsam mit einer rumänischen Kinderbuchautorin ein Buch herausgebracht, das von der Donau handelt. Welche Idee steckt dahinter?
Die Aufgabe der Umweltbildung zum Schutz und zur Renaturierung der Donau ist für mich wie ein Würfel, dessen Seiten unterschiedliche Ansätze repräsentieren, aber zusammengehören. Das Kinderbuch, mit dem wir uns an Kinder und deren Eltern wenden, ist ein Teil davon. Es stellt eine Verbindung her zwischen den Projekten und der konkreten Erlebniswelt von Kindern, denn im Buch werden verschiedene Tiere der Donau als Identifikationsfiguren verwendet. Sie treffen aber auf verschiedene Probleme, unter denen die Donau aktuell leidet, wie der Bau von Staudämmen oder Gewässerverschmutzung oder invasive Arten.
Und das auf märchenhafte Weise…
…richtig, ich habe dafür das Märchen von der „Schönen Lau“ von Eduard Mörike verwendet, die im Blautopf lebt, einer großen Karstquelle eines Nebenflusses der Donau. Dieses Märchen wird in unserem, wie wir es nennen, Umweltbildungskinderbuch „Lau lacht wieder“ aufgegriffen und weitergesponnen. Die Flussnixe Lau begibt sich darin auf eine Reise entlang der Donau, wo sie viele Donaubewohner trifft, Einblick in ihren Lebensraum sowie dessen Gefährdung bekommt und sie als Reisebegleiter gewinnt. Das Buch habe ich inhaltlich entwickelt und wissenschaftlich begleitet, wobei ich versuchte, wissenschaftliche Befunde in eine kindgerechte Sprache zu übersetzen: Auf welche Lebewesen kann man in der Donau treffen, unter welchen menschlichen Belastungen leidet die Donau, und welche Schutzmaßnahmen helfen dagegen? Daher habe ich mit einer rumänischen Kinderbuchautorin und mit einer Buchillustratorin zusammengearbeitet. Für mich war das ein toller Prozess, in dessen Lauf wir merkten, wie schwierig es ist, die komplexen Ökosysteme und Problemstellungen für Kinder verständlich zu formulieren und in einem Märchenformat zu unterzubringen: Von der Idee bis zum fertigen Manuskript vergingen anderthalb Jahre.
Sie haben vor, die Geschichte der Flussnixe Lau auch als Puppentheater auf die Bühne bringen – warum?
Der Stoff des Buches Buch bietet weitere Chancen, verschiedene Zielgruppen anzusprechen. Wir veranstalten hierzu nach Buchlesungen auch Feedback-Runden und fragen, was dem Publikum gefallen oder vielleicht gefehlt hat im Buch, und was eventuell noch wünschenswert wäre. Auch Storytelling- und Zeichenworkshops sind geplant. Nach dieser Ideensammlung wird dann ein Puppentheaterstück entwickelt. Das Buch ist gerade erst erschienen, wir sehen aber schon jetzt, dass die Leute begeistert mitmachen.
Hand aufs Herz – meinen Sie, dass es möglich ist, der Donau wieder zu einem ökologisch guten und gleichzeitig für den Menschen nützlichen Zustand zu verhelfen?
Ja. Diese Überzeugung gibt mir auch die nötige Leidenschaft und Energie, um mich für die Weiterentwicklung der Umweltkommunikation zu engagieren! Ich kenne Rumänien und Deutschland gut, sowie auch die anderen Donauländer, und möchte gerne Brücken des Wissens und Verständnisses innerhalb und zwischen diesen Ländern bauen. Erfreulicherweise wird unser Umweltbildungsnetzwerk immer dichter. Dazu gehören etwa auch Ministerien, die letztlich die Verantwortung für Implementierungen haben und daher unverzichtbar für den Wissenstransfer in die Gesellschaft sind.
Sehen Sie sich eher als Wissenschaftlerin oder Kommunikatorin?
Ich bin sehr neugierig auf Ergebnisse aus der Wissenschaft und immer gespannt darauf, wenn sich neue Ansätze im Flussmanagement daraus ergeben. Diese möchte ich verständlich machen und teilen. Dabei macht es mir besonders Freude, die vielen Funktionen intakter Gewässerökosysteme zu erklären und bekannter zu machen. Dabei müssen wir kreativ sein, neue Methoden finden, wobei mir die umweltpädagogische Erfahrung hilft: Heute müssen Texte kurz und gut strukturiert sein, um noch gelesen zu werden, daher müssen wir neue Ideen zur Vermittlung von Inhalten entwickeln. Denn alleine die Erarbeitung wissenschaftlicher Grundlagen reicht nicht aus, um unsere Flüsse und Auen so zu bewirtschaften, dass wir sie als intakte Ökosysteme an die nächsten Generationen weitergeben – mit allen damit verbundenen sozio-ökonomischen Vorteilen.
Das Gespräch führte Wiebke Peters.