Blitzlicht
Johannes Graupner

Nach der Oder-Katastrophe: Fischbestände massiv gesunken

Überleben des Baltischen Goldsteinbeißers bleibt unsicher
IGB-Forschende haben Probebefischungen in der Oder durchgeführt, um sich einen besseren Überblick über den verbliebenen Fischbestand nach der menschengemachten Umweltkatastrophe zu verschaffen. Die Ergebnisse sind sehr ernüchternd: Einige Arten, wie Quappe und Steinbeißer, aber auch Blei und Güster haben massive Verluste erlitten. Besonders auffällig war das Fehlen größerer Fische von 10 Zentimeter Körperlänge und größer. Machten diese im Frühjahr noch rund 40 Prozent des Fanges aus, waren es jetzt nur noch knapp 3 Prozent. Den aktuellen Hauptbestand machen Jungfische aus, die noch kein Jahr alt sind.

Ob der Baltische Goldsteinbeißer die Oder-Katastrophe überleben wird, ist derzeit noch offen. | Foto: Jörg Freyhof

„Diese Jungtiere konnten wahrscheinlich vor der giftigen Algen-Fracht in die sehr flachen, ufernahen Bereich im und hinter dem Schilf fliehen. Erfahrungsgemäß gibt es bei den Jungfischen jedoch insbesondere im ersten Winter nochmals starke Verluste, was die aktuelle Situation noch heikler macht“, erklärt IGB-Fischökologe Dr. Christian Wolter.

Besonders besorgt sind die IGB-Forschenden um den Baltischen Goldsteinbeißer, der in Deutschland ausschließlich in der Oder vorkommt. Die einzige bekannte, stabile Population bei Reitwein umfasste geschätzt rund 500 Tiere und scheint aktuell verschollen. Bei der Probebefischung am 19.Oktober 2022 wurde kein einziges Exemplar nachgewiesen. Überraschenderweise wurden zwei Tage später zehn Exemplare des Baltischen Goldsteinbeißers in der Oder bei Ratzdorf sowie ein Einzeltier in der unteren Neiße gefangen. Das Vorkommen der Art in diesem Abschnitt der Oder war bisher unbekannt. „Ob die Tiere vor der Giftwelle aus stromauf gelegenen Beständen geflohen und eingewandert sind, oder ob es eine schon länger bestehende stabile Population ist und seit wann die Tiere dort schon vorkommen, ist nicht bekannt“, erklärt Christian Wolter. Ob damit auch der Fortbestand der Art im deutschen Oderabschnitt vorerst gesichert sei, werde man aber erst nach weiteren Befischungen im kommenden Jahr abschätzen können.

Der Fischökologe empfiehlt zudem, an der Oder nun besondere Vorsicht walten zu lassen: „Wichtig ist nun, auch über die Herbst- und Wintermonate alles zu tun, um das Ökosystem Oder zu schützen, damit möglichst viele Tiere überleben. Flussbauliche Maßnahmen sollten auf jeden Fall unterbleiben und auch die stofflichen Einleitungen dringend reduziert werden. Allerdings zeigt der offizielle Messpegel des Landesamts für Umwelt Brandenburg in Frankfurt an der Oder schon jetzt wieder eine stark erhöhte Leitfähigkeit an, was bei erhöhten Salzkonzentrationen geschieht. Bemerkenswert ist dabei, dass die Leitfähigkeit steigt, obwohl mehr Wasser als in den Sommermonaten in der Oder fließt. Dies bedeutet, dass aktuell sogar noch mehr salzhaltige Abwässer in die Oder eingeleitet werden, als dies zur Zeit der akuten Katastrophenlage im Sommer der Fall war. Diese Situation ist aus ökologischer Sicht unbegreifbar und sollte auch von Politik und Behörden ganz genau analysiert werden“, unterstreicht Christian Wolter.

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Christian Wolter

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