Blitzlicht
Nadja Neumann

Konkurrenz zwischen Arten prägt deren Reaktion auf Umweltveränderungen

Lynn Govaert hat an Ciliaten erforscht, wie Konkurrenz unter Arten die plastischen und genetischen Reaktionen auf Umweltveränderungen beeinflusst. Konkurrenz kann die Anpassung von Merkmalen und Genen in eine andere Richtung lenken. Und außerdem einen Vermächtnis-Effekt auslösen – eine Konkurrenzsituation in der Vergangenheit kann die künftige Evolution einer Art beeinflussen.

Umweltveränderungen und Konkurrenz zwischen Arten können deren Reaktion verändern. I Foto: Solvin Zankl

Vom Menschen verursachte Umweltveränderungen beeinflussen Gewässer in zunehmendem Tempo und Ausmaß. Dazu gehören Temperatur- und Niederschlagsänderungen sowie steigende Belastungen mit Nährstoffen, Salzen oder Chemikalien. Solche raschen Veränderungen der abiotischen Faktoren können die Biodiversität ernsthaft bedrohen. Manche  Arten sind jedoch in der Lage, darauf zu reagieren, etwa durch phänotypische Plastizität, Evolution oder eine Kombination aus beidem.

Merkmalsveränderungen innerhalb einer Generation dienen als kurzfristige Lösung; genetische Anpassung ermöglicht das langfristige Überleben einer Art

Unter phänotypischer Plastizität versteht man die Fähigkeit eines einzelnen Genotyps, unter wechselnden Umweltbedingungen eine Reihe unterschiedlicher Merkmale hervorzubringen. Sie ist ein individueller Reaktionsmechanismus, der innerhalb nur einer Generation auftreten kann, um das kurzfristige Überleben von Organismen in einer sich verändernden Umwelt zu ermöglichen. Evolution ist die genetische Anpassung durch Mutationen oder durch die Selektion bestehender Genotypen. Die Evolution erfolgt über Generationen hinweg und ist daher oft eine langsamere Reaktion auf Umweltveränderungen, die jedoch für das langfristige Überleben der Arten entscheidend ist.

Das Team von Lynn Govaert hat erstmals untersucht, ob der Wettbewerb zwischen Arten die plastische und genetische Reaktion auf abiotische Veränderungen beeinflussen kann. Und ob die Wirkung dieses Wettbewerbs vom Ausmaß der abiotischen Veränderungen abhängt beziehungsweise ob seine Wirkung bei den Arten der Gemeinschaft unterschiedlich ist. Die Forschenden untersuchten, wie verschiedene Arten von Ciliaten auf einen steigenden Salzgehalt im Wasser reagieren. Ciliaten – auch Wimpertierchen genannt - sind einzellige Eukaryoten, die in Binnengewässern, Böden und auch im Meer vorkommen.

„Arten leben nicht isoliert. Deshalb ist es wichtig zu verstehen, wie eine Gemeinschaft mit all ihren Interaktionen auf Umweltveränderungen reagiert. Nur dann kann man abschätzen, welche Arten in einem Lebensraum überleben werden und welche vielleicht nicht“, erläutert Lynn Govaert.

Konkurrenz kann Richtung der Reaktion verändern

Das Team stellte fest, dass sich die Arten in ihren plastischen und genetischen Reaktionen auf die Kombination von abiotischen Veränderungen und Wettbewerb unterschieden. Dabei hingen die plastischen und genetischen Reaktionen von der Stärke der abiotischen Veränderungen ab: Extremere Umgebungen führen demnach zu einer schnellen Evolution – auch in diesem Versuch mit steigendem Salzgehalt war das so. Allerdings wurden diese Reaktionen durch den Wettbewerb verändert. „Unsere Studie zeigte, dass die plastischen und genetischen Reaktionen von Arten auf Umweltveränderungen und Wettbewerb in die entgegengesetzte Richtung gehen können, was zu geringeren phänotypischen Veränderungen führt, als wenn man nur eine Art ohne Konkurrenz in die Untersuchung einbezogen hätte“, erklärt die Forschungsgruppenleiterin.

Während in der Umgebung ohne Salzgehalt und ohne Wettbewerb ein allgemeiner genetischer Rückgang der Biomasse zu beobachten war, entwickelten die Individuen der Ciliatenart P. aurelia bei höchstem Salzgehalt größere Biomassen. Waren bei gleichem Salzgehalt jedoch konkurrierende Arten anwesend, entwickelten sie geringere Biomassen. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Anwesenheit konkurrierender Arten eine Selektion auf ein anderes Merkmalsoptimum bewirkt, und zwar wahrscheinlich durch Veränderung der „Fitnesslandschaft“, in der sich die Arten entwickeln.

Vermächtnis-Effekt des Wettbewerbs

Die Studie deckt sich auch mit den jüngsten Erkenntnissen eines Teams um Tess Grainger von der Princeton University, die zeigen, dass Wettbewerb einen „Legacy-Effekt“ auf zukünftige evolutionäre Reaktionen haben kann. Dieser Vermächtnis-Effekt des Wettbewerbs hatte auch wichtige Auswirkungen auf die Evolution von P. aurelia auf die abiotischen Umweltveränderungen. Bei der Konkurrenzbehandlung starben zwei seiner Konkurrenten (T. thermophila und S. teres) während des gesamten Selektionsexperiments aus (bei S. teres trat dieses Aussterben nur unter den beiden Bedingungen mit dem höchsten Salzgehalt gegen Ende der Selektionsphase auf). Nichtsdestotrotz zeigten sich bei den P. aurelia-Populationen unter den beiden höchsten Salzgehaltsbedingungen starke Unterschiede in den Merkmalswerten zwischen den Populationen, die sich mit und ohne Konkurrenten entwickelten. Daher ist es wahrscheinlich, dass der Wettbewerb in der Vergangenheit die Evolution von P. aurelia in Bezug auf die abiotischen Umweltveränderungen noch immer beeinflusst hat.

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Lynn Govaert

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Forschungsgruppe
Ökoevolutionsdynamik

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