Frau Spahr, Sie haben in Tübingen im Bereich Umweltchemie gearbeitet und auch am IGB erforschen Sie Schadstoffe in der Umwelt. Ein weites Feld und ein wichtiges gesellschaftliches Thema! Warum ist das Gebiet auch wissenschaftlich spannend?
Tatsächlich ist es bei mir so, dass mich das Thema sowohl gesellschaftlich – also im großen Kontext – interessiert, aber auch die wissenschaftliche und methodische Herangehensweise. Ich beschäftige mich daher häufig mit sehr angewandten Fragestellungen. Beispielsweise haben wir in einem Projekt in der von Wasserknappheit betroffenen Stadt Los Angeles in Kalifornien untersucht, wie verschmutzter Regenwasserabfluss mittels Pflanzenkohle-Filtern aufbereitet und nutzbar gemacht werden kann. In den Versuchen haben wir es geschafft, mithilfe dieser energie- und kosteneffizienten Technologie Niederschlagsabfluss von organischen Spurenstoffen wie Bioziden und Flammschutzmitteln zu befreien. Ein wirklich einfaches Prinzip. Und dennoch kann man so eine Methode nur entwickeln und zum Einsatz bringen, wenn man die komplexen Prozesse versteht, die zur Entfernung von Schadstoffen führen.
Sie scheinen ein sehr lösungsorientierter Mensch zu sein, würden Sie das unterschreiben?
Ja, stimmt. Ich möchte herausfinden wie wir Wasserqualität nachhaltig verbessern können. Daher interessiert mich besonders wo Wasserverschmutzung herkommt, wie sie wirkt und mit der Umwelt interagiert. Im Idealfall finden wir in Zukunft Wege um Schadstoffquellen zu minimieren. Da aber so viele Chemikalien produziert und für verschiedenste Zwecke eingesetzt werden, brauchen wir clevere Lösungen, um Verunreinigungen im Wasser wieder los zu werden. Um Schadstoffe überhaupt messen zu können, finde ich auch die Entwicklung von neuen Analyse-Methoden sehr spannend. Zum Beispiel den Einsatz von stabilen Isotopen, um das Verhalten und die Abbaumechanismen von Schadstoffen in Böden und Wasserkörpern zu bestimmen.
Welche Art von Wasser finden Sie also am spannendsten?
Ich muss ehrlich gestehen: Sauberes Wasser ist natürlich das Ziel. Wissenschaftlich gesehen sind Schadstoffe im Wasser aber enorm spannend und eine große Herausforderung. Mein momentaner Favorit in meiner Rolle als Forscherin: Niederschlagsabfluss. Durch Regen, der über Straßen oder landwirtschaftlich genutzte Flächen fließt, können sehr viele Stoffe wie Reifenabrieb oder Pestizide abgeschwemmt und in die Gewässer eingetragen werden. Oft wissen wir aber nicht welche Stoffgemische mobilisiert werden und was diese für Auswirkungen haben. Das finde ich sehr wichtig zu erforschen, besonders weil Starkregenereignisse in Zukunft immer extremer ausfallen könnten. Außerdem wird Regenwasser als Ressource noch viel zu wenig geschätzt. Vor allem in von Dürre geplagten Regionen wie in Kalifornien wird die Nutzung von Niederschlagsabfluss für die städtische Wasserversorgung schon realisiert. Ein klimaangepasstes Regenwassermanagement ist aber überall ein Thema welches immer mehr Aufmerksamkeit bekommt auch im Diskurs der Stadtplanung.
Da fällt mir das aktuelle Konzept von Berlin als Schwammstadt ein
Genau, das ist ein bekanntes Beispiel. Die Idee dabei ist, versiegelte Flächen aufzubrechen und mehr Speicherkapazität zu schaffen durch urbane Grün- und Wasserflächen. Das Regenwasser soll zurückgehalten werden wo es fällt. Das entlastet bei Starkregen die Kanalisation und schützt die Gewässer. Gleichzeitig wird die Stadt grüner und lebenswerter, und die Verdunstung hilft bei Hitze die Stadt zu kühlen. Ein weiterer Aspekt der mich besonders interessiert ist die natürliche Reinigungsleistung der sogenannten grün-blauen Infrastruktur. Denn da gibt es noch einige offene Fragen und viel Potential Schadstoffbelastungen zu reduzieren, sodass wir sauberes Wasser für Mensch und Natur gewinnen.
Glauben Sie, dass Berlin diese Transformation in der Stadtplanung und im Wassermanagement vorantreiben wird?
Das Konzept ist da und in Berlin gibt es schon einige erfolgreiche Beispiele mit Dachbegrünungen oder Versickerungsmulden. Sicher gibt es auch einiges an Engagement bei den Verantwortlichen und es findet ein Umdenken statt – nicht nur in Berlin, sondern weltweit. Wasser und Natur in dicht bebauten Städten mehr Raum zu geben, ist aber gar nicht so einfach. Um neue Maßnahmen und Ideen im großen Maßstab umzusetzen, braucht es ein gutes Zusammenspiel verschiedenster Akteure aus der Bevölkerung, Unternehmen, Politik und Forschung. Und Mut für Neues.
Ist es Ihnen auch deshalb wichtig, die transdisziplinäre Zusammenarbeit voranzutreiben? Sie sind ja Fellow in der Postdoc Academy for Transformational Leadership der Robert-Bosch-Stiftung.
Diese Postdoc Academy hat zum Schwerpunkt, bei Forschenden die Qualifikation für transdisziplinäre Führungsaufgaben zu fördern. Ich freue mich sehr, ein Teil davon zu sein, weil meiner Meinung nach das Prinzip der integrativen Forschung immer noch zu wenig gelebt wird, und ich selbst dazu noch viel lernen und auch innerhalb meiner Arbeitsgruppe weitergeben möchte. Übrigens finde ich, dass das IGB dafür ein sehr geeigneter Ort ist, weil hier Grundlagen- und Anwendungsforschung Hand in Hand gehen. Mein Eindruck ist auch, dass die Forschenden am IGB sehr gut vernetzt sind. Natürlich innerhalb der wissenschaftlichen Community, aber eben auch durch ihr Engagement mit anderen Akteurinnen und Akteuren des Wassermanagements.
Sie wurden, kurz nachdem Sie ans IGB kamen, gleich in den Wissenstransfer eingebunden – haben an einem IGB-Feedback zur möglichen Überarbeitung der EU-Liste für Schadstoffe, die Oberflächen- und Grundwasser beeinträchtigen sowie an einer Wissenschaftlichen Einschätzung zur Ansiedlung von industriellen Großprojekten in wasserarmen Gebieten mitgewirkt.
Ja, tatsächlich! Das war ein sehr guter Einstieg. Zum einen habe ich mich so schnell mit den Kolleginnen und Kollegen aus den verschiedenen Forschungsgruppen vernetzen können, zum anderen auch erlebt, welche vielfältigen Möglichkeiten es am IGB gibt, sich mit seinem Forschungswissen einzubringen.
Dabei wünschen wir Dir, liebe Stephanie, auch weiterhin viel Spaß und Erfolg!