Der weltweite Einsatz antimikrobieller Wirkstoffe in Medizin und Landwirtschaft fördert die Entstehung von Keimen, die gegen Medikamente resistent sind und zu schwer oder nicht behandelbaren Infektionen führen. Für die Entstehung wirkstoffresistenter Erreger sind unterschiedliche Bedingungen ausschlaggebend, deren Erforschung und Eindämmung weit über den eigentlichen Bereich der Biomedizin hinausgeht und eine interdisziplinäre Herangehensweise verlangt.
Die Forschenden vermuten, dass die menschliche Nutzung der Umwelt – beispielsweise durch die Landwirtschaft oder die Einleitung von geklärtem Abwasser – die Erregerausbreitung beschleunigt. Daher ist das Projekt so angelegt, dass die Gegebenheiten natürlicher, landwirtschaftlich genutzter und urbaner Bereiche vergleichend untersucht werden – auf dem Land und in Gewässern.
„Vermenschlichung“ des Mikrobioms in Stadtgewässern
Antibiotikaresistente Keime und Antibiotika gelangen über Abwasser und Gülle in die aquatische Umwelt. Über ihr weiteres Schicksal ist jedoch wenig bekannt. „Wirkstoffresistete Mikroorganismen kommen in Gewässern vor – auch wenn wir sie nicht sehen, und sie nicht mit einfachen Analysen bestimmen können. Unsere vorläufigen, stichprobenartigen Untersuchungen zeigen, dass das aquatische Mikrobiom insbesondere im urbanen Raum ,vermenschlicht‘ zu sein scheint. Das heißt, wir fanden im Wasser und im Sediment von Stadtgewässern eine hohe Zahl und Diversität an antibiotikaresistenten Keimen“, erläutert IGB-Forscher Hans-Peter Grossart.
Eine Risikokarte wird Hotspots resistenter Keime aufzeigen – von der Quelle bis in die Umwelt
Im Rahmen von INFECTIONS‘21 werden Hans-Peter Grossart und Alex Greenwood an ausgewählten Untersuchungsstellen in Gewässern auf landwirtschaftlich genutzten Flächen, ländlichen Seen, städtischen Badeseen, städtischen Brunnen und größeren Abwasserabflüssen Wasser- und Sedimentproben sammeln und die Mikroorganismengemeinschaften sequenzieren. Das Team wird so die Diversität, Verteilung und Menge antibiotikaresistenter Mikroorganismen von der Quelle bis in die Umwelt bestimmen können. Die Forschenden werden außerdem untersuchen, ob Veränderungen der mikrobiellen Gemeinschaften entlang des Stadt-Land Gradienten die Ausbreitung von Antibiotikaresistenz-Genen beeinflussen und wie biotische und abiotische Umwelteinflüsse zu ihrer Ausbreitung beitragen.
Auf Basis der Ergebnisse soll eine Risikokarte von Antibiotikaresistenzen in der aquatischen Umwelt entstehen, auf der Hotspots und Ausbreitungswege gekennzeichnet sind. „Unsere Forschung soll letztendlich helfen, das Auftreten resistenter Keime in Gewässern zu mindern. Denn nur wenn wir die unsichtbare Gefahr sichtbar machen – benennen, lokalisieren und quantifizieren – haben Akteure im Gesundheits- und Gewässermanagement die wissenschaftliche Basis um Lösungsstrategien zu entwickeln“, so der Ausblick von Hans-Peter Grossart.