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Bald mehr Plastik als Fisch?

Mikroplastik in Binnengewässern
Plastik findet sich inzwischen fast überall: Kleine Kunststoffteilchen schwimmen zu Tausenden auf jedem Quadratkilometer der Meeresoberfläche, sammeln sich an Küsten oder sogar in den Sedimenten der Tiefsee an. Im Jahr 2050 könnte in den Ozeanen mehr Plastik als Fisch vorkommen, warnen Forscher. Erst seit Kurzem richten sie ihre Aufmerksamkeit auch auf Flüsse und Seen. Durch sie gelangt ein Großteil des Kunststoffs überhaupt erst ins Meer.

Die hellgrünen Partikel im Darm dieses Wasserflohs sind angesammelte Mikroplastikteilchen. | Foto: Saskia Rehse/IGB

Egal ob im marinen oder limnischen Bereich – Studien weisen längst darauf hin, dass Mikroplastik in aquatischen Ökosystemen allgegenwärtig ist. Die kleinen Plastikteilchen von weniger als fünf Millimetern Größe stammen zum Beispiel aus Kosmetikprodukten oder werden aus Synthetikmaterialien ausgewaschen.  Wie viel davon in unsere Meere und Gewässer gelangt, ist kaum abzuschätzen. „Insgesamt haben wir bisher kaum eine Vorstellung davon, wie hoch die tatsächliche Konzentration von Mikroplastik in aquatischen Ökosystemen ist“, sagt Saskia Rehse, die am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) zum Thema promoviert. Methoden, mit denen sich die Zusammensetzung und Konzentration von Mikroplastik genau bestimmen lassen, seien bislang noch nicht etabliert und standardisiert. So gebe es bisher nur wenige geeignete Analysemethoden, um die ganze Vielfalt der verschiedenen Plastikteilchen zu erfassen.

Vor allem kleine Partikel, die oft nur wenige Mikrometer (ein Tausendstel Millimeter) groß sind, sorgen für Probleme: Diese kleinen Teilchen können von Kläranlagen nicht herausgefiltert werden und sind deshalb besonders weit verbreitet. Diese kleinen Teilchen sind es auch, die sich besonders negativ auf verschiedene Lebewesen auswirken. Potenzielle Effekte wie Entzündungen im Magen-Darm-Trakt durch Aufnahme der Partikel oder Anreicherungen in der Nahrungskette wurden bereits in mehreren Studien untersucht, vor allem für Meerestiere. So finden sich Kunststoffteilchen inzwischen in Fischen, Seevögeln, Robben und Walen. Welche Auswirkungen Mikroplastik im Süßwasser haben kann, ist allerdings noch wissenschaftliches Neuland.

Mikroplastik lähmt Wasserflöhe

Hier setzt Saskia Rehse mit ihren Untersuchungen an: In ihren Experimenten setzt sie Wasserflöhe (Daphnia magna), typische Bewohner von Binnengewässern, sehr hohen Konzentrationen an Polyethylen-Partikeln aus. Polyethylen ist der weltweit am häufigsten verwendete Kunststoff und wird insbesondere für Verpackungen genutzt. Bei ihren Versuchen nutzt die Nachwuchswissenschaftlerin Partikel unterschiedlicher Größe. Ihr Ziel ist es, Grenzwerte abzuleiten, ab denen mit negativen Folgen für die Organismen zu rechnen ist.

Das Ergebnis: Kleine Partikel mit nur einem Mikrometer Durchmesser schweben in der Wassersäule, werden von Wasserflöhen verschluckt und führen schon nach wenigen Tagen dazu, dass sich die Tierchen nicht mehr bewegen können. Größere Partikel hingegen legen sich wie ein Teppich auf die Wasseroberfläche, bleiben teilweise an den Wasserflöhen haften, können jedoch von den Tieren abgeschüttelt werden. „Wir konzentrieren uns auf Wasserflöhe, da diese Tiere eine Schlüsselart in Seeökosystemen darstellen“, erklärt die Saskia Rehse. „Sie ernähren sich von Algen und Bakterien. Werden sie unbeweglich, können sie keine Nahrung mehr aufnehmen. Das wiederum kann zu erhöhten Algenvorkommen und Algenblüten führen.“ Gleichzeitig seien Wasserflöhe eine wichtige Nahrungsquelle für Fische und andere Tiere. Besser erforscht werden müsse deshalb auch, ob und wie sich Mikroplastikteilchen in der Nahrungskette in Flüssen und Seen anreichern.

IGB-Wissenschaftler warnen zudem vor Wechselwirkungen, die Kunststoffe mit verschiedenen Chemikalien eingehen können. Kunststoffprodukte werden oft extrem haltbar gemacht und enthalten Farbstoffe und Lösungsmittel. In der Umwelt treffen diese dann auf weitere Chemikalien. Ob und in welchem Umfang es zu Wechselwirkungen kommt, ist noch weitgehend unbekannt.