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Weniger ist oft mehr!

Es erscheint aufs Erste paradox, aber verschiedene mathematische Populationsmodelle sagen vorher, dass bei vielen Tierarten eine erhöhte Sterberate zu einer höheren Populationsdichte führen könnte. Wissenschaftler haben nun gezeigt, dass dieses Phänomen in der Natur tatsächlich häufig vorkommt, aber manche ökologischen Erklärungen dafür oft zu kurz greifen. Die Ergebnisse haben weitreichende Konsequenzen für das Verständnis von Tierpopulationen und Nahrungsnetzen und können auch für die Nutzung von Fisch- und Wildbeständen oder für die Schädlingskontrolle von Interesse sein. An der jüngst veröffentlichten Studie waren Wissenschaftler vom Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB), der Princeton University (USA) und der University of Essex (UK) beteiligt.

Ein Zwergkärpfling-Weibchen mit  Nachkommen. | Foto: Eva-Maria Cyrus/IGB

Das internationale Forscherteam um Dr. Schröder (IGB) verglich die Ergebnisse von Labor-und Freilandstudien an diversen Arten quer durch das Tierreich mit den Vorhersagen verschiedener mathematischer Populationsmodelle. Diese beruhen auf unterschiedlichen Annahmen in Bezug auf die Ökologie und Biologie von Tieren. Das Hauptresultat der Studie: Um den Mechanismus und die Vielfalt der experimentell gezeigten, positiven Effekte erhöhter Mortalität auf Populationsdichten zu erklären, müssen ökologische Erklärungsansätze die individuelle Körpergröße, das Wachstum und die Reifeentwicklung der betroffenen Tiere unbedingt mit beachten.

Ein Beispiel dafür ist der Zwergkärpfling (Heterandria formosa).  Bei  dieser Fischart führt das Ansteigen der Streberate zu einer höheren Dichte von Jungfischen. Ausgewachsene Zwergkärpflinge konkurrieren miteinander um Nahrung. Wird der Bestand nun dezimiert, kommen die überlebenden Artgenossen in den Genuss von mehr Futter. Somit können die Tiere schneller wachsen und mehr Brut in die Welt setzen.  Der Nettoeffekt ist folglich eine höhere Dichte an Jungfischen.

Viele ökologische Theorien vernachlässigen Größenunterschiede zwischen Elterntieren und deren Nachkommen sowie Wachstums- und Entwicklungsprozesse. Folglich sagen solche vereinfachten Modelle nur eine mit der Sterberate ansteigende höhere Gesamtanzahl der Individuen einer Population vorher. Dies steht im Gegensatz zu experimentellen Ergebnissen, die vor allem positive Mortalitätseffekte in bestimmten Entwicklungsstadien zeigen. Bezogen auf den Zwergkärpfling heißt das zum Beispiel, dass eine erhöhte Sterberate vor allem zu einem Anstieg von Jungfischen führt. Bei anderen Arten können die Effekte wiederum einen Anstieg von ausgewachsenen Tieren verursachen. Schröder und sein Team zeigen aber auch, dass bei immer höheren Sterberaten die Populationsdichten unweigerlich abnehmen. Was genau passiert, das erklären mathematische Modelle, die sich komplexerer biologischer Annahmen bedienen und Körpergröße, Wachstum und Reifeentwicklung einzelner Tiere berücksichtigen.

Des Weiteren zeigen die Studienergebnisse, dass solche entwicklungsstadien- und größenspezifischen positiven Mortalitätseffekte bei vielen verschiedenen unverwandten Arten vorkommen und deshalb vermutlich ein sehr häufiges Phänomen in der Natur darstellen. Die Wissenschaftler betonen, dass ökologische Theorien, die die fundamentalen biologische Prozesse Wachstum und Entwicklung mit berücksichtigen, zu einem tieferen Verständnis führen, warum  und wie Populationen auf äußere Einschnitte, zum Beispiel Klimaveränderungen oder Befischung, reagieren. Sie können somit bessere Hinweise für die nachhaltige Bewirtschaftung von Fisch- und Wildbeständen oder die Kontrolle von Schädlingsbekämpfung liefern.

 

Quelle

Arne Schröder, Anieke van Leeuwen, Tom C. Cameron. (2014). When less is more: Positive population-level effects of mortality. Trends in Ecology and Evolution. doi.org/10.1016/j.tree.2014.08.006

 

Weiterführende Literatur

 Arne Schröder et al. 2009. Culling experiments demonstrate size-class specific biomass increases with mortality. Proceedings of the National Academy of Sciences USA 106:2671-2676).    

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