press release

Filterelemente im Müggelsee

Schwarze (oder weiße) etwa 1,2 cm große Filterelemente vom Typ HEL-X HXF12KLL. | Foto: David Ausserhofer/IGB

Als gewässerökologisches Forschungsinstitut können wir die Besorgnis über die am Ufer des Müggelsees gefundenen Kunststoffteilchen sehr gut verstehen. Da einige der gefundenen Teilchen den Filterelementen gleichen, die wir in unseren Süßwasser-Kreislaufanlagen zur Fischhaltung verwenden, haben wir alle denkbaren Eintragspfade von unserem Gelände gründlich untersucht. Nun liegen die Ergebnisse dieser detaillierten Untersuchung vor.

Infolge von technischen Fehlfunktionen können in den Jahren 2015 bis 2018 punktuell Filterelemente aus unseren Kreislaufanlagen in den Müggelsee gelangt sein. Dies hatten wir nach den ersten Funden von Filterelementen am Ufer des Müggelsees im Jahr 2018 mit unserem damaligen Kenntnisstand zunächst ausgeschlossen. Inzwischen haben wir festgestellt, dass unter bestimmten Umständen, insbesondere bei Strom- oder Pumpenausfällen, potenziell doch Filterelemente aus unseren Anlagen freigesetzt werden konnten. Aufgrund einer Reihe technischer Verbesserungen, die bereits im Laufe des Jahres 2018 umgesetzt wurden, sind wir sicher, dass seit Ende des Jahres 2018 kein Austrag mehr möglich ist.

Über den Zwischenstand unserer Erkenntnisse haben wir am 14. Juli 2022 die Wasserbehörde der Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz, das Umwelt- und Naturschutzamt Treptow-Köpenick, das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Spree-Havel sowie am 18. Juli 2022 die Öffentlichkeit informiert. Seitdem haben wir auch Maßnahmen eingeleitet, um den Verbleib der Filterelemente zu kartieren und möglichst viele davon aus dem Müggelsee zu entfernen. So führen wir regelmäßig Müllsammelaktionen im Uferbereich des Sees durch und bitten auch Anwohnende und Besuchende des Müggelsees, uns Fundstellen von Filterelementen entlang des Ufers an info(at)igb-berlin.de zu melden. Wir dokumentieren diese Funde  und sorgen dafür, dass die Filterelemente eingesammelt und fachgerecht entsorgt bzw. recycelt werden.

Als Forschungsinstitut legen wir hohe Qualitäts- und Sicherheitsmaßstäbe an unsere eigene Arbeit an, denen wir selbstverständlich auch gerecht werden wollen. Die Erkenntnisse zu den Eintragsquellen ärgern uns selbst in hohem Maße. Wir entschuldigen uns für die späte Aufklärung der möglichen Eintragspfade und dafür, dass wir zur Verschmutzung des Sees mit den Filterelementen beigetragen haben.

Nachfolgend beantworten wir Fragen, die sich im Zusammenhang mit dem unbeabsichtigten Eintrag von Filterelementen in den Müggelsee stellen. 

Fragen und Antworten

Aktualisiert am 31. Juli 2023

Welche Anlagen zur Fischhaltung gibt es auf dem IGB-Gelände am Müggelsee?

Auf dem IGB-Gelände am Müggelseedamm 310 werden zu Forschungszwecken Fische in vier unterschiedlichen Bereichen gehalten. Hierzu zählen die Aquarienhalle, die überdachte Außenanlage zur Störhaltung, das Aquaponik-Gewächshaus und die Teichanlagen. Die dort gehaltenen Arten umfassen einheimische Arten wie Forelle, Aal und Stör und nicht-einheimische Arten wie Arapaima, Clarias-Welse und Tilapia.

Welchem Forschungszweck dienen die Fischhaltungsanlagen des IGB?  

Für die Wiederansiedlung der ausgestorbenen Störarten in den Norddeutschen Fließgewässern wird in der Aquarienhalle und der Außenanlage zur Störhaltung ein Elterntierbestand aufgebaut. In der Aquarienhalle erforschen wir außerdem das geschlechtsspezifische Verhalten des Arapaima, um die Fortpflanzung dieser ebenfalls vom Aussterben bedrohten Art besser zu verstehen. Neben diesen Aktivitäten zum Artenschutz ist die nachhaltige Erzeugung von Nahrungsmitteln in sogenannter Aquaponik (kombinierte Fisch- und Pflanzenzucht) bzw. multitrophischen, integrierten Produktionssystemen (Fisch-Pflanze-Insekt) ein weiterer Forschungsschwerpunkt. Übergeordnete Ziele sind dabei die ressourcenschonende Nutzung von Wasser und die Vermeidung von Emissionen durch die Entwicklung interner Wertschöpfungsketten. Außerdem werden Versuche zu alternativen Fisch-Futtermitteln mit Welsen und Tilapien für Aquaponikanlagen durchgeführt und Verfahren für die umwelt- und tierfreundliche Hygienisierung von Aquakulturanlagen entwickelt.

Warum gibt es Filteranlagen in den IGB-Fischhaltungsanlagen? 

Die Fischhaltungsanlagen in der Aquarienhalle und die Außenanlage zur Störhaltung werden als Kreislaufanlagen betrieben. Dabei wird das Wasser über mechanische Filteranlagen und biologische Reinigungsverfahren aufbereitet, sodass die Zufuhr von frischem Wasser möglichst gering gehalten werden kann. Am IGB sind dazu sogenannte Moving-Bed-Filteranlagen im Einsatz. Die Moving-Bed-Filteranlagen minimieren die Menge an Wasser, die für den Betrieb notwendig ist und die eventuell geheizt werden muss. Das bewirkt auch eine deutliche Reduzierung des Energiebedarfs. Bei der Außenanlage zur Störhaltung konnte durch die Umstellung auf das Moving-Bed-Verfahren (sowie zusätzlich durch eine Einhausung der Anlage) auch ein verbesserter Schallschutz für die anliegenden Grundstücke erreicht werden.

Wie funktionieren Moving-Bed-Filter?

Das Moving-Bed-Filterverfahren wird auch Bewegtbett- oder Wirbelbettverfahren genannt. Dieses aus der industriellen Wasserreinigung stammende Prinzip ist auch bei Aquakulturen und Fischzuchtanlagen – sowohl im gewerblichen als auch im privaten Bereich – weit verbreitet. Die Filterelemente dienen in erster Linie als Substrat, auf dem sich Bakterien ansiedeln. Diese „guten“ Bakterien wandeln die Inhaltsstoffe des Wassers, die durch die Fischhaltung erzeugt werden, in für die Fische ungiftige Formen um. Damit diese Filterelemente ausreichend mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgt werden, werden sie mit einem Luftstrom im Wasser permanent umgewälzt.

Welche Art von Filterelementen verwendet das IGB?

Für unsere Moving-Bed-Filter nutzen wir sogenannte Füllkörper aus Polyethylen (PE) in schwarzer und weißer Farbe in der Größe von 1,2 cm (HEL-X HXF12KLL) und 2,5 cm (HEL-X HX25KLL). Diese handelsüblichen Füllkörper für die Aquakultur und Aquaristik sind auch in der privaten Fischhaltung weit verbreitet und im Baumarkt verfügbar. Die Filterelemente – „Biocarrier“ für die biologische Wasserreinigung – sind nicht giftig oder gesundheitsgefährdend, weshalb sie häufig in Wasserumgebungen wie z.B. Fischhaltungen eingesetzt werden. PE wird beispielsweise auch im Wasserbau für Folien und Rohre sowie in der Lebensmittelindustrie für Verpackungen oder Trinkwasserflaschen genutzt und ist recyclebar.

Warum benutzt das IGB Kunststoffelemente zum Filtern und keine natürlichen Stoffe wie z.B. Filtersand oder Kohle?

Um eine möglichst effiziente Filterleistung auf kleinem Raum zu erreichen, müssen die Filterelemente eine möglichst große Oberfläche pro Volumeneinheit und eine optimale Dichte aufweisen. Für das Filtermaterial bedeutet dies, dass es abriebfest, ähnlich dicht wie Wasser und ein großes Oberflächen-Volumen-Verhältnis aufweisen muss. Diese Eigenschaften vereinen die verwendeten Füllkörper in besonderer Weise.

Wie und in welchem Zeitraum können Filterelemente potenziell in den Müggelsee gelangt sein? 

Wir haben in den Jahren 2015 und 2017 unsere bereits bestehenden Kreislaufanlagen, die bis dahin auf Sedimenter- und Rieselfiltertechnik basierten, auf Moving-Bed-Filter umgerüstet. Die Filteranlagen sind so konzipiert, dass der Austrag von Filterelementen durch Siebe verhindert wird. Vor der regulären Inbetriebnahme und dem Besatz mit Fischen wurden die Anlagen ausgiebig getestet und die Einstellungen optimiert. Trotz dieser technischen Maßnahmen kann es in den Jahren 2015 bis 2018 unter bestimmten technischen Voraussetzungen, insbesondere bei Stromunterbrechungen oder Pumpenausfällen, punktuell zu einem Austritt von Filterelementen gekommen sein.

Welche technischen Verbesserungen wurden an den Filteranlagen durchgeführt, damit ein erneuter Austrag von Filterelementen ausgeschlossen werden kann? 

Nachdem wir die technischen Schwachstellen identifizieren konnten, wurden die Überläufe der Filteranlagen umgehend mit zusätzlichen mechanischen Sperren (Siebaufsätzen) versehen, um Filterelemente zurückzuhalten, die z.B. bei Pumpenunterbrechungen aus den Filterkammern zurückschwimmen können. Auch die Zuleitungen der Filterkammern wurden mit zusätzlichen Siebeinsätzen nachgerüstet, die engere Spaltmaße und eine höhere Stabilität aufweisen, um ein Entweichen von Füllkörpern auch unter hohem Druck zu verhindern. Durch die zusätzlichen mechanischen Sperren ist ein Abschwimmen von Filterelementen seit 2018 nicht mehr möglich. Als weitere Sicherheitsmaßnahme sind seit 2021 in der Außenanlage zur Störhaltung ausschließlich 2,5 cm große Filterelemente im Einsatz.

Wie viele Filterelemente wurden vermutlich freigesetzt?  

Das ist im Nachgang nur schwer zu ermitteln, weil wir zu keinem Zeitpunkt eine merkliche Verringerung der Füllkörpermenge in unseren Filteranlagen beobachtet haben. Wir haben nur punktuell und unter bestimmten technischen Bedingungen Filterelemente in Bereichen gefunden, in die sie nicht gehören, nie aber in großen Mengen. Wir schätzen daher, dass bei einer Gesamtmenge von in den IGB-Anlagen eingesetzten Filterelementen von ca. 15 Kubikmetern und unter Annahme eines pessimistischen Szenarios von langfristigen, schleichenden und unbemerkten Austrägen, die Gesamtmenge unter 1 Kubikmeter liegt.

Was wissen wir über den Verbleib der Filterelemente? 

Punktuell ausgetretene Filterelemente gelangten wahrscheinlich in die Sedimente und in den Schilfgürtel des Nordufers des Müggelsees und werden vermutlich vor allem nach Stürmen oder nach Eisbildung freigesetzt, sodass sie auch mehrere Jahre nach dem ursprünglichen Eintragsereignis an den Ufern angespült werden können. Um besser einschätzen zu können, wie sich die Filterelemente eventuell in den Sedimenten des Sees verteilen und ihren Verbleib zu kartieren, haben wir im Oktober 2022 eine systematische und großflächige Beprobung der Sedimente an 34 Stellen durchgeführt. Dabei wurde ein Filterelement unweit des IGB-Geländes gefunden, an den restlichen 33 Stellen gab es keine Funde.

Wir haben dies trotzdem zum Anlass genommen, die Sedimentbeprobung im Juli 2023 zu wiederholen und auf weitere Teile des Sees auszudehnen. Nur an einer der insgesamt 65 Probestellen wurde ein Filterelement gefunden. Auch diese Fundstelle befand sich in unmittelbarer Nähe des IGB. Das deutet darauf hin, dass sich die Filterelemente nur lokal am Nordufer verteilt haben und nicht im gesamten Seegebiet. Es untermauert zudem die Vermutung, dass sie sich nicht im Sediment ablagern, sondern mehrheitlich ans Ufer gespült werden.

Was verrät die Farbe der gefundenen Filterelemente über ihren Ursprung?

Leider gar nicht so viel, denn das unterschiedliche Aussehen der Filterelemente hat nicht zwingend etwas damit zu tun, wie lange sie sich bereits in der Umwelt befinden. Die am IGB verwendeten Filter sind schwarz oder weiß. An ihrem eigentlichen Einsatzort, d.h. in Moving-Bed-Filteranlagen, werden die Elemente unter optimalen Bedingungen binnen weniger Monate von nützlichen Bakterien besiedelt. Diese bilden einen bräunlichen Belag, den sogenannten Biofilm. Im See hingegen gelangen die Filterelemente durch Strömungen und Winde in den Spülsaum. Wie in einer Waschmaschine werden sie dort intensiv im Wasser bewegt und kommen dabei auch mit Feinsediment in Berührung. Dadurch wird der Biofilm abgetragen. Die Filterelemente können dabei so sauber gespült werden, dass sie trotz ihres Alters aussehen wie neu.

Gibt es technische Lösungen, um die Filterelemente aus dem See zu entfernen? 

Vermutlich nicht. Die noch im See befindlichen Filterelemente sind wahrscheinlich zum größten Teil im Wurzelbereich des Schilfes auf der Nordseite des Sees verteilt. Ein Abtragen des Schilffeldes ist aus Naturschutzgründen aber weder ratsam noch erlaubt. Einzig die Einfassung des Schilffeldes mit einer Lahnung, die gleichzeitig das Schilf gegen den teilweise erheblichen Wellenschlag sichern würde, könnte langfristig zu einer Vermeidung der Verbreitung der Filterelemente führen. 

Werden die Filterelemente nach Stürmen oder Eisbildung aus dem Schilf gespült, sind sie in allen Wasserschichten zu finden. Dies liegt an der Beschaffenheit der Filterelemente: um ihre Funktion im Moving-Bed-Filter erfüllen, also im Wasser verwirbelt werden zu können, müssen sie eine ähnliche Dichte wie Wasser haben. Die Entfernung von freigespülten Filterelementen aus der Wassersäule ist technisch jedoch nicht ohne Beeinflussung der Tier- und Pflanzenwelt möglich. Bei starkem Südwestwind, und insbesondere nach Eisbedeckung, werden deshalb auch in den Folgejahren wahrscheinlich noch Filterelemente aus dem Schilfsaum freigespült werden. Ob andere technische Maßnahmen zur Entfernung denkbar sind, werden wir mit den zuständigen Behörden erörtern.

Was hat das IGB bisher gegen die angespülten Filterelemente unternommen?

Wir führen regelmäßig Müllsammelaktionen im Uferbereich des Müggelsees durch. Dabei haben wir seit 2018 bislang rund 15 Kubikmeter haushaltsüblichen Plastikmüll eingesammelt und entsorgt. Der gefundene Plastikmüll, der aufgrund der vorherrschenden Windlagen vor allem am Nordufer des Sees angespült wird, umfasste auch Filterelemente, bestand jedoch zum überwiegenden Teil aus Haushaltsmüll unterschiedlicher Herkunft. Darüber hinaus haben Anwohner*innen und Besucher*innen des Müggelsees in den letzten Jahren angespülte Filterelemente am Ufer eingesammelt und so dankenswerterweise zur Reduktion der noch im See befindlichen Filterelemente beigetragen. Erneute Funde alter Filterelemente können Anwohner*innen an info@igb-berlin.de melden, damit unsere Mitarbeitenden sie umgehend einsammeln, dokumentieren und entsorgen können.

Welche Auswirkungen können die Filterelemente im Müggelsee haben?

Wie jeder andere Kunststoffeintrag auch, können die Filterelemente lange in der Umwelt verbleiben und dort trotz ihrer Stabilität letztendlich eine Quelle für Mikroplastik werden. Mikroplastik kann sich auf Ökosysteme auswirken, zum Beispiel weil Mikroorganismen die Partikel als Lebensraum und Transportmittel nutzen oder weil sie von Filtrierern wie Süßwassermuscheln aufgenommen werden. Das IGB erforscht die Auswirkungen von Mikroplastik in unseren Gewässern und weiß daher, dass Kunststoffe aus Polyethylen (PE) zwar nicht toxisch sind, aber die Funktion von Ökosystemen stören können und nicht in unsere Gewässer gehören. Obgleich die Verschmutzung des Müggelsees durch Kunststoffe weit über die vom IGB verwendeten Filterelemente hinausgeht, müssen wir leider feststellen, dass wir sehr wahrscheinlich zur Plastikverschmutzung beigetragen haben. Deshalb werden wir unser Bestmögliches tun, um die Filterelemente aus dem See zu entfernen.

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